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Braucht das Reich die Wehrpflicht?

Akinokawa Michi
Wenn im europäischen Mittelalter Ritter ihren Herzögen und Königen Heerfolge zu leisten hatten, so war die Ausrüstung ihre Privatangelegenheit. Ein einfacher Landadliger trug keineswegs die schimmernden Rüstungen, die wir aus Hollywood gewohnt sind. Denn die kosteten ein Vermögen, oftmals sogar mehr, als der Weiler, auf dem der Ritter hockte, in zehn Jahren brutto zu erwirtschaften in der Lage war. Ein Lederkoller, ein paar Beinschienen und wenn's hoch kam ein rostiger alter Helm – das Wertvollste war noch immer das vom Vater und dessen Vater vererbte Eisenschwert. Die paar Bauernburschen, die den Ritter auf der Heerfahrt begleiteten, trugen ein paar Spieße mit sich herum, das war's. Und alle waren glücklich, wenn der Ritter wenigstens auf einem Pferd saß, das nicht hinter der nächsten Wegbiegung vor Entkräftung umfiel.
Krieg ist nun mal ein teures Geschäft und man muss es sich leisten können. Im Allgemeinen werden die jahrelangen Rüstungsunterhaltungen erst durch einen gewonnenen Feldzug wieder eingespielt, wenn man dem geschlagenen Feinde noch das letzte Brot vom Teller stiehlt. Diese Erfahrung macht nun auch die Bundesrepublik Deutschland. Seit Jahren schwindet der Aerar gemeinsam mit der Wirtschaftskraft. Das einst gewinnbringende Tafelsilber ist längst verhökert – und die Bundeswehr kostet und kostet. Vor allem spielt sie der Rüstungsindustrie zu Liebe noch immer mit völlig veraltetem Spielzeug, in welch modernem Gewande es auch immer einher kommen mag. Die konventionelle Kriegsführung ist global gesehen ausgemustert, die Zeit der großen Panzerschlachten ist vorbei, die in Schützenketten vorrückende Infanterie gibt’s nur noch in Lehrbüchern der Militärgeschichte. Asymmetrische Kriegsführung ist angesagt. Die armen Lumpen dieser Welt, die es auch an die Brottöpfe der reichen Staaten zieht, ringen mit anderen Mitteln. Sie kämpfen so, dass sie von regulären Armeen nicht mehr zu erfassen sind. Kein Flugzeugträger der Vereinigten Staaten, kein Atom-U-Boot der Virgina-Klasse, kein Stealth-Bomber war in der Lage zu verhindern das am 11. September 2001 zwei Passagierflugzeuge das New Yorker World-Trade-Center niederlegten, und ein weiteres das Pentagon attackierte. Keine „Marder“ und kein „Wüstenfuchs“ und kein Maschinenpistolen bewehrter Soldat der Deutschen Bundeswehr wird verhindern, wenn islamische Terroristen mit biologischen Angriffen das Wasser-Versorgungssystem einer deutschen Großstadt verseuchen. Hätte die konventionelle Kriegsführung noch die geringste Chance, Afghanistan wäre bereits seinerzeit von den Russen befriedet worden. Nun versagen und verlieren die Truppen der westlichen Welt bereits das zehnte Jahr am Hindukusch so vor sich hin. Die schwer bewaffneten Mädchenschulenerrichter und Aufbauhelfer in Uniform hangeln sich von einem Rückzug zum Nächsten und verteidigen dabei „Deutschlands Freiheit“ zu einem Preis, der im Reiche selbst die Schulen und Kindergärten verfallen sowie den Bildungsstand ihrer jungen Nutzer devastieren lässt. Führende CDU-Politiker insistieren desungeachtet auf die Beibehaltung der Wehrpflicht als nationales Kulturgut, wie selbst der von uns ansonsten hoch geschätzte sächsische Herr Ministerpräsident Stanislaw Tillich von sich gab. Da wird die Tradition des freiheitlich-demokratisch-mündigen Staatsbürgers in Uniform beschworen, bis sich die Balken biegen vor lauter Unsinn. Das alles ist natürlich pure Augenwischerei für den doofen Michel. Doch selbst der kraucht angesichts im Sturzflug wegbrechender Sozialleistungen und desaströser Straßenbeläge nicht mehr unreflektiert auf jeden Leim. Hier geht es doch nicht um Traditionen! Krampfhaft bemühte Phrasendrescherei bezüglich irgendwelcher Grundwerte und -pfeiler des Staatswesens sind hohler Unfug. Hier geht es allein um Lobbyarbeit für die noch immer mächtige deutsche Rüstungsindustrie, die ihre Panzer, Hubschrauber und Granaten ja schließlich nicht für die Halde produzieren will. Milliardenschwere Aufträge stehen zur Disposition und mit ihnen Tausende Arbeitsplätze an der „Heimatfront“. Da man diesen in der Rüstung Beschäftigten ja nicht zumuten kann, von heute auf morgen umzurüsten und umzuschulen und deutsche Schulen wieder standfest zu gestalten, rsp. deutsche Straßen zu flicken, muss das Geschäft eben weiter gehen. Dass man desungeachtet in den Führungsetagen der Politik realisiert hat, dass die Staatskasse leer und die Bundeswehr schlichtweg nicht mehr finanzierbar ist, zeigt sich am Massensterben deutscher Kasernen. Gerade noch mit Steuermillionen auf den neuesten Stand gebracht, rotten diese Gebäude nun unbewohnt in einem noch immer exquisiten Zustand vor sich hin, von dem hunderte deutscher Schulen noch immer träumen. Man besehe sich die Brandenburger Rolandkaserne in Hohenstücken und dann gehe man zur Saldria, Brandenburgs Elitegymnasium, und werfe einen Blick auf die Fenster, deren blankes Holz seit Jahren nach einem erneuten Anstrich schreit.
Der Ausnahmepolitiker und Verteidigungsminister Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg stellt einen der wenigen vernünftigen Strategen der gegenwärtigen Bundesrepublik dar. Er, der bereits das Tabu brach und vom Krieg am Hindukusch sprach, als das noch völlig obsolet war, stellt nunmehr die Wehrpflicht infrage. Das hat Hand und Fuß und bringt ihm stante pede das Gegeifer sowohl der Bundeswehr als auch der Rüstungslobbyisten ein. Sie möchten weiterhin ihre Gewinne auf Kosten des deutschen Steuermichels einfahren und ihm dafür ein für den gemeinen Bürger nicht verfolgbares Feuerwerk am afghanischen Himmel bieten.
Der Freiherr hat recht: Natürlich benötigen wir keine Wehrpflicht mehr. Man kann sie getrost aussetzen. Längst schon ist Wehrgerechtigkeit zur Illusion auf dem Papier degradiert, längst schon arbeiten mehr junge Männer im Zivildienst als eingezogen werden, längst schon ist der Grundwehrdienst auf eine Dauer zusammengekürzt worden, die eine soldatische Ausbildung zum Witz macht. Doch selbst die Rudimente der deutschen Armee kosten immer noch ein Heidenvermögen – unverhältnismäßig viel im Vergleich zu den kontinuierlich anwachsenden Staatsschulden. Und – wie gesagt – der Kram passt nicht mehr in die Zeit. Weg damit. Gefordert sind hoch spezialisierte und astronautisch gut ausgerüstete Einzelkämpfer sowie suffiziente Geheimdienste. Das ist das Gebot der Stunde.
Das Mittelalter endete für Frankreich auf den Schlachtfeldern des Hundertjährigen Krieges. Poitiers, Crecy und Agincourt: Die französische Ritterschaft wollte den Krieg unbedingt nach altem Reglement führen – Edward, der Schwarze Prinz von Wales und sein Nachfahre Heinrich V. aber wollten gewinnen. Sie holten mit neuartigen und geächteten Waffen die Blüte der französischen Ritterschaft vom Pferd. Das galt als feige und unrittelich – aber die Engländer siegten, und das jedesmal! Der Sieg gibt dem Gewinner recht. Und der Gewinner war der, welcher sich den Erfordernissen, nicht aber überkommenen Vorstellungen angepasst hatte. Über ein halbes Jahrtausend nach diesen Ereignissen sollte die moderne Gesellschaft aus diesen Erfahrungen gelernt haben. Wenn also der Gegner partout mit Armbrüsten ins Gefecht geht, hat es wenig Sinn, noch einmal eine Million in eine goldschimmernde Rüstung zu investieren. Das gilt für alle Bereiche der modernen Militärdoktrin. Also weg mit der Wehrpficht und der an sie gekoppelten Ausrüstungen! Das alles ist nur teuer, macht wenige reich, ein ganzes Volk arm und taugt zu gar nichts mehr.

17. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
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