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Täter oder Opfer
Jörg Kachelmann darf vorläufig aus dem Gefängnis heraus

Don M. Barbagrigia
131 Tage Haft. Das sind einhundertundeinunddreißig gestohlene Tage eines Lebens – wenn er unschuldig ist. Am 29. Julei ließ man den ehemaligen nationalen Wettermann und Moderator Jörg Kachelmann nach erfolgreicher Haftbeschwerde vor dem Karlsruher Oberlandesgericht vorläufig auf freien Fuß. Es bestünde kein dringender Tatverdacht mehr und auch die Fluchtgefahr wäre überschaubar, hieß es. Der Entlassene ist offensichtlich ein gebrochener Mann: Da verabschiedet sich der 51 jährige von seinem Büttel und Gefängniswächter, der ihn Abend für Abend in einer kleinen Zelle wegschloss wie einen räudigen Hund, mit einer herzlichen Umarmung. Gerad so, als sei dieser Mann sein privater und eng befreundeter Gastgeber, Kurhoteldirektor oder persönlicher Schutzengel gewesen. Kann man so tief sinken? Ist das jenes berüchtigte Stockholm-Syndrom? Der Mann benahm sich würdelos und erbärmlich. Das tat in der Seele weh.
Der Landbote ist weit entfernt davon, der Urteilsfindung des zuständigen Gerichtes vorzugreifen. Selbst der Richter wird wohl kaum mehr zweifelsfrei enthüllen können, was an jenen schweren Vorwürfen dran ist. Hat er die Frau vergewaltigt, bedroht und misshandelt, dann sollten die 131 Tage Gefängnis nur der Vorgeschmack auf den kommenden Lebensabschnitt des Meteorologen gewesen sein. Soviel ist sicher. Hat sie ihn diffamierend in die Pfanne gehauen, so soll nun sie ihrerseits hinter Gittern verschwinden und ihm Stück um Stück das zahlen, was er definitiv – auch ohne Verurteilung – bereits jetzt schon eingebüßt hat: 131 Tage Freiheitsentzug und eine versaute Perspektive. Denn egal wie das Hauen und Stechen ausgeht, schwerlich wird Kachelmann an seine alte Vita anknüpfen können. Die Karriere hat einen schwerwiegenden Knick bekommen und aus diesem Klotz am Bein noch eine vernünftige Münze zu schlagen, ist ein hartes Stück Arbeit. Doch all das bleibt der Zukunft vorbehalten. Das ist jedoch derzeit noch spekulativ und damit belanglos. Wir wollen einen Blick auf die Gegenwart werfen. Auf die Rolle der Staatsanwaltschaft beispielsweise. Wie hält sie es, die offensichtlich zu diesem Zeitpunkt bereits von der Schuld des Mannes überzeugt ist, mit der auch für einen Herrn Kachelmann geltenden Unschuldsvermutung, die solange aufrecht zu halten ist, bis das Gegenteil klar und schlüssig bewiesen wurde? Was wir dort beobachten, erinnert uns eher an das Gekläff von Bluthunden, die auf der Fährte des flüchtigen Negers die Mississippi-Sümpfe durch hecheln. Der Delinquent scheint diesen Leuten nur Mittel zum Zweck zu sein. Zu welchem Zweck? Den der Wahrheitsfindung etwa? Nun, wenn sich die Wahrheit als eine im Sinne der Staatsanwaltschaft herausstellt, dann sicherlich. Denn dann stellt sie auch einen persönlichen Sieg der Staatsanwaltschaft vor den Schranken des Gerichtes dar, welcher der Profilierung des Staatsanwaltes und seiner Truppe gleichkommt. Doch eine solche Haltung steht nur denen Advokaten und Rechtsanwälten zu, die ihre Mandanten vertreten und sonst niemandem!
Bei der Ermittlung eines Sachverhaltes ist die Staatsanwaltschaft zu strengster Objektivität verpflichtet und hat daher, so ist es in der Strafprozessordnung (StPO) §160 Abs. 2 eindeutig festgelegt, ...nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln..."
Tat sie das? Tat sie das in ausreichendem, nachvollziehbarem Maße? Wir kennen die Aktenlage nicht, und auch nicht den Sachstand des laufenden Verfahrens. Dennoch kommen uns Zweifel an der Unbefangenheit der Staatsanwaltschaft und des Mannheimer Landgerichtes im Angesicht der von Karlsruhe positiv beantworteten Haftbeschwerde.
Die Frage die sich daraus ableitet, lautet: Wie viele Menschen, die keinen bekannten Namen haben und daher über die Öffentlichkeit und hochbezahlte Spitzenanwälte keinen Druck aufzubauen in der Lage sind, teilen das Schicksal Jörg Kachelmanns und sitzen möglicherweise unschuldig hinter Gittern, weil eine pflichtvergessene Staatsanwaltschaft auf den §130 StPO pfeift und deutsche Gerichte ihnen das durchgehen lassen? Das wäre kriminell. Man denkt unwillkürlich an Friedrich den Großen, der in einer Randbemerkung notierte, solche Juristen seien übler als Straßenräuber, da man sich vor letzteren wohl in Acht nehmen könne, ersteren aber schutzlos ausgeliefert sei.
Ohne der Mannheimer Staatsanwaltschaft dieses zu unterstellen, so wäre es doch eine nicht akzeptable Angelegenheit, wenn sich herausstellte, dass gewisse Leute mit der Involvierung in den Fall eines so prominenten Mannes das Entree in einen persönlichen Karriere- Expressfahrstuhl nach oben gewittert haben, der sie jede Erinnerung an ihr berufliches Ethos und auch an ihre gesetzlich festgelegten Obliegenheiten verlieren ließ.
Denn es wäre ein Alarmsignal für die deutsche Justiz, würde sie es zulassen, dass sich die Klischees, welche sich die Laien von der Rollenverteilung im Gerichtssaal zurecht phantasieren, auch wirklich und tatsächlich materialisieren.
Noch mal: Hat er die Frau am Schlafittchen gehabt, so gehört er weggesperrt. Ohne Wenn und Aber. Er möge sein, wer er ist oder war. Dass er der Traum-Schwiegersohn von Millionen deutscher Hausfrauen ist, charmant lächeln und intelligent plaudern kann, hat dabei ebensowenig in die Urteilsfindung einzufließen, wie das eventuelle Bestreben einer Anklagebehörde, mit einem „gewonnenen“ großen Fall dem eigenen Prestige eine Art Raketenschub zu verleihen. Hier geht es um das Schicksal zweier Menschen, von denen wenigstens einer aus persönlichen Erwägungen heraus lügt und damit dem anderen großen Schaden zufügt. Diese Dinge sind zu ermitteln und dann entsprechend zu bewerten – sonst gar nichts.
Was nun die sich als Opfer Kachelmanns deklarierende Moderatorin und ihre möglicherweise vielen Leidensgenossinnen mit ähnlich gelagerten Fällen anlangt, so fällt auf, dass die Weibchen sich zwar permanent nach potenten, aggressiven, dominanten und sozial hochwertigen Männchen umschauen um ihr Genom optimal zu rekombinieren, dann aber, wenn sie mit den Schattenseiten dieser doch so nachgefragten Charaktereigenschaften am eigenen Leibe konfrontiert werden, regelmäßig in Heulen und Zähneklappern ausbrechen. Sie leben in dem unreflektierten Wahnwitz, die Aggressivität möge nur immer den anderen gelten – nicht ihnen. Ihnen sei die immerwährende Zärtlichkeit vorbehalten. Damit verlangen sie nichts weniger als die Aufhebung der Einheitlichkeit des von ihnen als einheitliche Persönlichkeit begehrten Männchens. Eine contradictio in adiecto – so alt wie die Geschlechter selbst. Man könnte auch höhnisch formulieren – sie haben sich die Drachenbrut selbst gezüchtet, die ihnen später die Zähne ausschlägt. Das ist keine Entlastung für die aggressiven Männchen – das ist ein Problem, das die Gesellschaft nie und nimmer dauerhaft und breitflächig mit juristischen Instrumenten wird beherrschen können. Der Neocortex und damit das Hirnareal, das moralisch vertretbares Verhalten implizieren kann, ist halt noch immer ein ganz, ganz dünnes Eis. Auf diesem wandeln und rutschen zur Zeit ein ehemaliger Wettermoderator, eine Rundfunkmoderatorin, ein Gericht, eine Staatsanwaltschaft und ein ganzes Volk aus. Die Gefahr einzubrechen ist für alle Beteiligten immens.

17. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
30.07.2010