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Süßes oder Saures!
gespenstische Gedanken zu Halloween

Michael L. Hübner
Von uns gibt's Saures! Das gleich vorneweg. Sie sollen sich nicht wagen, an unserer Türe erpresserisch zu betteln, diese kleinen Horden von Rotznasen, die sich durch den Halloween- Reimport aus den USA legitimiert fühlen, sich durch die Straßenzüge zu schnorren. Doch – eine Chance sollen sie haben: Sie sollen uns das Fest Allerheiligen, oder All-Hallows-Evening erklären, sollen uns davon erzählen, dass es mutmaßlich das keltische Samhain-Fest überlagern sollte, wie die christlichen Konquistadoren aller Jahrhunderte die heidnischen Tempel der unterlegenen Völker mit ihren Kirchen und Kathedralen überbauten. Vielleicht finden wir ein wenig Schokolade, ein paar Bonbons, wenn wir hören, dass es um 1830 herum von irischen Emigranten nach Amerika verschleppt wurde, von wo es nunmehr zurückkam. Denn dann wissen wir, dass sich die jungen Menschen wenigstens mit der Hintergründigkeit ihrer Schnorrerei befasst haben. Aber so? Feiern wir nun auch noch bald Thanksgiving, oder dürfen wir unser deutsches Erntedankfest behalten? Werden wir als brave Kolonie des Weltsheriffs von eigenen Gnaden auch demnächst am 4. Juli strammstehen und schwarz-rot-gold die Toilette hinunterspülen? Diese drei Farben sind sowieso nicht mehr zeitgemäß und wollen nicht so recht passen zu unserem braunen Halskragen, der den deutschen Michel wegen seiner abnormen Arschkriecherei verunziert, zu der er, dem das Rückgrat so offensichtlich gebrochen wurde, sich seit sechzig Jahren berufen fühlt. Und vor wem liegt der doofe Michel im Staube? Vor den Amerikanern – die ihn von den Russen besiegen ließen und erst eingriffen, als sie um ihren Einfluss in Westeuropa fürchteten. Denn die Russen waren drauf und dran bis zum Kanal vorzustürmen. Und als die Russen den deutschen Faschismus unter aberwitzigen Opfern niedergerungen hatten, da kam Uncle Sam einher, schickte noch schnell ein paar Negerboys, Latinos und Puerto Ricaner ins deutsche Sperrfeuer und vor die SS-Flinten Peipers, um dann von den weißen Jungs deutsche Wissenschaft und deutsche Wissenschaftler nach Amerika zu importieren. Sie, die im Verhältnis gesehen kaum Verluste erlitten, wollten sich den Löwenanteil der Beute sichern. Und die war nicht gerade gering. Es darf als sicher gelten, dass die Yankees ohne diesen überaus erfolgreichen Fischzug noch immer mit Kanus über den Hudson schippern würden, immer in Deckung vor den Pfeilen der ortsansässigen Indianer. Monderoberung? Atombombe? Nobelpreise im Fache Medizin? I, woher denn? Zum Dank dafür gaben sie uns all die Segnungen ihrer Zivilisation zurück: soziale Kälte, überall klebende Kaugummis, Konsumterror, ewig große Schnauze und nichts dahinter und den ganzen Hollywoodschund, in dem sie die Helden und vorzugsweise die Deutschen die dummen Deppen sind und eben – Halloween und diesen ganzen Mumpitz drum herum. Die Westdeutschen wimmern noch heute die Dankbarkeitsadresssen für die Carepakete und die Wirtschaftshilfe rauf und runter – nichts ahnend davon, dass die USA einen soliden Deich an den Gestaden des roten Ozeans brauchten und deswegen, und nur deswegen ihr Geld hier rein pumpten. Das war doch keine Liebesgabe und christliche Vergebung! Die wahre Ansicht Amerikas die „Jerrys“ betreffend ließen sie über Hollywood verbreiten. Und der deutsche Michel inhaliert diesen Mist, selbst jenen, der ihn noch bis auf die Knochen diffamiert. Wir entschuldigen nichts, aber auch gar nichts, was mit den schrecklichen zwölf Jahren zwischen 1933 und 1945 im Zusammenhang steht, wenngleich wir verstehen, dass es arme deutsche Teufel gibt, die nie etwas anderes sahen als die hundert Quadratmeter Himmel über dem dritten Hof ihrer Mietskaserne und dann plötzlich mit der Gustloff ins Mittelmeer kamen und derhalben gewissen Dingen aus der Nazizeit hinterhertrauern. Dennoch – eine solche kollektive Verächtlichmachung aller Deutschen durch die Amerikaner, die im letzten Kriege am allerwenigsten geleistet haben und dort, wo sie wirklich ihre großen Fressen hätten unter Beweis stellen können – wie in Vietnam, dem Irak und Afghanistan – permanent mit dem Rücken an der Wand standen und folterten und flennten, was das Zeug hielt, das schlägt ja wohl dem Fass dem Boden aus. Warum dieses Halloween? Warum nicht mit derselben Berechtigung das Jolka-Fest der Russen oder das Jom Kippur der Juden?
Wir werden den Teufel tun, den Kelten ihre herrlichen Feste abzusprechen. Beltane, Samhain, Lughnasadh und Imbolc – aber das sind deren Feierlichkeiten. Die wurden im Übrigen keineswegs zu dem Zwecke erfunden, dass deutsche Kinder in Scharen ihren Nachbarn buchstäblich auf die Nerven gehen. In diesem Zusammenhang sei bemerkt, dass eine Mitarbeiterin des Preußischen Landboten einst ihre persönliche Antwort auf das Geplärre „Süßes oder Saures“ gefunden hatte: Sie gab, eingedenk dessen, dass sie Kinder sehr gerne hat und ihnen daher den zahnzerstörenden Zucker nicht zumuten wollte, kleine Zahnpastatuben, was die Rotzgören mit langen Gesichtern und Gemaule quittierten. Wir quittieren es mit Beifall und Hochachtung für einen sublimen Einfall.
Was wir hingegen nicht goutieren, ist diese massenhafte Verkleidung als Zombies, Tod, Hexen, Gespenster und was nicht alles für obskure Gestalten durch die Straßen huschen, respektive sich auf sogenannten Halloween-Partys herumtreiben. Wer sich als Tod gewandet, sollte sich ernsthafte Gedanken über das Leben und seine sichere Begrenzung machen, wie es die Mexikaner tun. Für einen Schabernack halten wir solchen Unfug nicht. Nun, ob wir dagegen wettern oder nicht – sie tun es trotzdem. Wir aber antworten mit dem alten Kampfruf der Wikinger: „Tod zeige mir dein Gesicht und finde mich lachend.“ Diesen Bettelknirpsen zumindest lachen wir ins Gesicht. Wir lachen sie aus und scheuchen sie weiter, wenn sie uns keine rechte Antwort auf unsere Fragen wissen. Dabei sind wir immerhin noch kulanter als der Sphinx, von dem gesagt wird, er würde die Unkundigen eliminieren. Nein, so rüde wollen wir denn doch nicht sein. Es reicht, wenn wir rufen: „Süßes oder Saures? Wenn ihr euch nicht gleich trollt – Saures! Und zwar für euch!“ Oh, Jack Oldfield, genannt Jack O., zünde deine Laterne an, die im übrigen ursprünglich eine Karotte und kein Kürbis war, und leuchte etwas Verstand in den deutschen Michel, der den Rest seines einstigen Bildungsreichtums mittlerweile in der dritten Generation auf dem Altar seiner Arschkriecherei verhökert. Denn der ganze Michel läuft seit dem letzten Kriege wie ein einziger entseelter Zombie umher – eine Art Perma-Halloween. Oder, wie sich Herr Sarrazin jüngst ganz korrekt ausdrückte: Deutschland entwickelt sich zu einem dinglish brabbelnden Duckmäuserstaat. Das ist um so vieles erschreckender als eine grinsende Kürbisfratze und bettelnde Knirpsenhorden. Das ist der wahre Albtraum.

17. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
01.11.2010