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Weißer Hai im Klostersee
Trommel und Posaunen in Lehnin

Michael L. Hübner
Die Zisterzienser von Lehnin hatten sicher gregorianische Liturgie im Sinn, als sie die Klosterkirche St. Marien aufführten.Vier Leipziger nahmen es damit nicht ganz so genau. Ihnen reichte die freizügige Interpretation des Wortes vom Gotteslob durch Trommeln und Posaunen, als sie im Rahmen der 37. Lehniner Sommermusiken das Kirchenschiff zum Klingen brachten. Barockes und Jazziges stand auf dem Programm des sächsischen Ensembles "percussion + posaune". Gediegen gingen die vier Vollblutmusiker um Joachim Gelsdorf (Bassposaune) mit würdevoll getragenen Madrigalen Thomas Morleys und Michael Easts an den Start. Eine Blechblastranskription von des Meisters Wohltemperiertem Klavier wies die musikalische Könnerschaft aus. Seit Leopold Stokowski hörte man kaum mehr so qualitäts- und gehaltvolle Interpretationen Johann Sebastian Bachs, an dessen Noten sich nun wirklich nur Spitzenkönner versuchen dürften. Dass die vier mit dem Schlagzeug-Experimentator Wolfram Dix in der Mitte aber auch anders können, bewiesen sie, als sie in bester Fusion-Manier alte Choräle während der zweiten Strophe ins Jazzige abgleiten ließen und die kühle Sommernacht in den Klostermauern anheizten.

Ihr etwa 120 Seelen starkes Publikum nahmen sie wortwörtlich mit, als den Zuhörern plötzlich anderthalb Dutzend Klappern, Rasseln und Kastagnetten in die Hand gedrückt wurden und aus einem Profi-Quartett plötzlich eine Laien-Big-Band erwuchs. Leipziger Humor bewiesen die Vier vier in ihren Fracks spätestens in dem Augenblick, als sie plötzlich unter gelben Bauarbeiter-Helmen mit bunten Plaste-Posaunen musizierten - Dix hatte sein Schlagzeug etwas zu sehr malträtiert, eine Beckenhälfte löste sich gleich einer fliegenden Untertasse vom Gestänge und sauste scheppernd zu Boden, was die Herren zum Tragen der Helme veranlasste. Gelsdorf brachte zwischen den Stücken in seinem herzigen "Leipzschger" Dialekt manche Anekdote an sein Auditorium. So diejenige von den drei Orgelprüfern, unter ihnen der Meister J. S. Bach höchstselbst, die nach getaner Arbeit vom Magistrat zu Halle (Saale) mit einer opulenten Tafel bewirtet wurden. Diese hätte einem Bankett im Bundespräsidialamt zur Ehre gereicht: Zusammengerechnet 28 Kannen Wein wurden dabei von den lukullischen Musikanten geleert - die darin offenbarte Erwartungshaltung an die Lehniner Zuhörerschaft war unüberhörbar. Damit das erschrockene Volk wieder auf andere Gedanken käme, blies und trommelte man "Den Weißen Hai im Alpensee" des steierischen Komponisten Christoph Wundrack. Die fidelen Tonkünstler mit Stephan Wagner und Marton Palko (beide Tenorposaune) in der Mitte enttäuschten nicht. Der frischgebackene Pfarrer Thomas Wisch konnte sich über diese Bereicherung seiner Sommermusik nicht beklagen. Wenn Sibold, der legendäre erste Abt von Lehnin, so hätte aufspielen können, die störrischen Wenden hätten sich wohl mit ihm arrangiert, statt ihn schnöde zu erschlagen. Während der Zugabe stimmten die vier fidelen Sachsen den Choral von Leuthen an – Preußen dankte ergebenst.

 
B
11. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012

18.07.2012