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Ein Hauch von Synagoge
Brandenburger Abendmusiken präsentierten jüdisch-geistliche Musik


Bettina und Ernst Damus bringen den Europäischen Synagogalchor in die Aula der Ritterakademie am Dom zu Brandenburg.

David M. Katz
Der Schofar erklang nicht unter dem riesigen Davidstern am Westgiebel des Doms, noch holte der Rabbi die Thora aus dem Schrein. Und doch war es ein wenig, als sei man wieder in der alten Brandenburger Synagoge zu Gast. Dieses Gefühls muss man nun freilich in der Havelmetropole seit 1938 entbehren, als Oberbürgermeister Sievers von dem jüdischen Gotteshaus nur noch eine Wand stehen ließ. Der europäische Synagogalchor unter Leitung von Martin Helge Lüssenhop tat sein Bestes, um den schmerzlichen Verlust wenigstens für anderthalb Stunden vergessen zu machen.
Geistliche Musik für den israelitischen Gottesdienst aus den vergangenen zwei Jahrhunderten erfüllte die Aula der Ritterakademie.
Im 54. Jahrgang ließen Ernst und Bettina Damus die Brandenburger Abendmusiken erklingen und schmückten diese Reihe nun mit dem Auftritt des 15-stimmigen Chors aus Hannover. Der Leiter und Moderator Professor Andor Izsák von der Dohány-Synagoge aus Budapest konnte krankheitsbedingt leider nicht auftreten, statt der Orgel wurde der gute alte Bechstein-Flügel bespielt – sonst aber stimmte alles:Vierzehn Stücke kamen vor einer mit 180 Besuchern bis zum Bersten gefüllten Domaula zum Vortrag. Der an den viktorianischen Stil angelehnte, prachtvollste Saal der Chur- und Hauptstadt bot den Werken aus der Feder Lewandowskis, Meyerbeers, Rossinis, Koeppens, Birnbaums und anderer ein würdiges Ambiente. Ja – auch Katholiken wie Rossini hatten überhaupt kein Problem damit, ihren jüdischen Nachbarn geistliche Musik zu komponieren und entledigten sich ihrer Aufgabe auf hervorragende, wenn auch etwas gewohnt operettenhafte Weise. Sein europäisches Format unterstrich der Chor mit einer Sammlung von Stücken von Königsberg (Pr.) bis Prag, von Rom über Hamburg bis Berlin. Das Glaubensgebet Schma Jisrael, der Kaddisch, Psalmen, vom berühmten 23er bis hin zum 103 und 114 fanden ihre musikalische Umsetzung mit choralen Stimmen, deren europäischer Anspruch fraglos gerechtfertigt wurde. Was Wunder! Immerhin ist dieser Chor ein Kind des Europäischen Zentrums für Jüdische Musik, das nichts weniger als ein eigenes Institut der Musikhochschule Hannover darstellt.
Neugierig machten die Partituren: Viele Stücke wurden in hebräischer Sprache vorgetragen, deren Schrift sich ja gegenläufig zur internationalen Notenschrift von rechts nach links zieht. Die Musiker lösten das Problem, indem sie die hebräischen Worte in lateinischer Umschrift darstellten.
Es bleibt der Zukunft überlassen, in Brandenburg an der Havel geistlich-jüdischer Musik wieder eine feste Heimstatt in einem eigenen Gotteshaus zu geben – dem Dom und der Familie Damus seien jedoch für ihre herzliche Gastfreundschaft gedankt, mit der sie die Kultur der Töchter und Söhne des Alten Bundes in ihrer Mitte willkommen hießen.

 
B
11. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012

12.03.2012