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Wo Wallenstein einst Schlossherr war...
Schloss Güstrow ist eine Reise wert


Ein hervorragendes Beispiel der norddeutschen Renaissance ist das wundervolle Schloss Güstrow.

Kotofeij K. Bajun
Bis in die berühmte Hansestadt Rostock sind es nur fünfeindrittel Meilen*. Die Landeshauptstadt Schwerin mit ihrem pompösen Schloss, das auch der Loire zur Ehre gereichte, ist siebeneindrittel und das stolze Wismar sechseinhalb Meilen entfernt. Auf halben Weg, drei Meilen im Südwesten, liegt die Slawenburg Groß Raden. Fünfeinhalb Meilen nach Süden – und man ist an den Ufern der Müritz. Besuchermagneten allenthalben. Das arme Güstrow liegt nun mitten drin und doch fahren so viele Urlauber an dem bezaubernden mecklenburgischen Städtchen vorbei. Sehr zu unrecht. Güstrow ist immer eine Reise wert. Die Güstrower wissen das und sie rüsten auf. Schmuck ist der Kern des 30.000-Einwohner-Städtchens geworden. Seit 2006 hat sich Güstrow auch den zugkräftigen Namen Barlachstadt zugelegt. Atelier, Gertraudenkapelle, verschiedene Skulpturen und Objekte im Dom und in der Pfarrkirche St. Marien – all das lockt wohl die Mehrzahl der Gäste in das beschauliche Fleckchen.


Eine Aquamanile, ein liturgisches Gefäß, aus dem 13. Jahrhundert.**

Aber das Prachtstück ist doch wohl das gewaltige, alles dominierende Renaissanceschloss, das sogar einst Albrecht von Wallenstein zu seinen Besitzern zählte. Güstrow avancierte mittels dieses Schlosses zur herzoglichen Residenz Ulrichs III. von Mecklenburg. Später als Altenheim, Lazarett und Arbeitshaus misshandelt, strahlt der imposante Baukörper noch immer so unendlich viel Würde und höfische Eleganz aus. Berühmt ist der Renaissancegarten im Südosten des Schlosses. Innen aber ist das prächtige, dreiflügelige Haus seltsam leer. Nur wenige Einrichtungsgegenstände konnten sich durch die Zeitläufe retten. Schöne Stollenschränke, Kabinettschränke und Sekretäre, Scherenstühle – doch es sind nur vereinzelte Stücke, die sich in den Weiten des Gemäuers gleichsam verlieren. Eine bescheidene Waffensammlung findet sich, ein paar Arkebusen, Steinschlossgewehre, sogar ein Schwertspieß zur Sauhatz... Kein Vergleich mit der prachtvollen Rüstkammer des Dresdner Zwingers – dennoch, dennoch!
Das Güstrower Schloss verinnerlicht, was der Regierende Bürgermeister Berlins für die bankrotte Hauptstadt zu Unrecht als Devise ausgab: Arm aber sexy! Ihren Charme entfalten die Ausstattung der Räumlichkeiten, die herrlichen Deckengestaltungen, die Gewölbe, die Wandbemalungen und – einige Gemälde. Cranach der Ältere und der Jüngere sind vertreten. „Judith mit dem Haupt des Holofernes“ - in Güstrow hängt es! Auch „Cupido beklagt sich bei Venus“, dessen einer Variante man auch in der Londoner Nationalgalerie begegnet, ist vertreten. Ist es das Bild, von dem Renate Krüger behauptete, es sei in der Wittenberger Werkstatt des Malers von dem besoffenen Junker Nickel von Trotha angegriffen und beschädigt worden, der sich als eine Art frühdeutscher Taliban durch die laszive Nacktheit des verführerischen Weibes zu dem Attentat aufgereizt fühlte? Die Familienchronik der Trothas kennt keinen Nickel oder Nikolaus, zumindest keinen, der zu dieser Zeit in Wittenberg hätte studieren können. Doch der kleine dunkle Streifen unter der rechten Brust der Liebesgöttin lässt die Phantasie aufleben. Gegenüber – ganz klein, ganz zierlich, das Signum eines der bedeutendsten Malerpersönlichkeiten der deutschen Geschichte: die Schlange mit der Krone des berühmten Kronachers! Die Bilder müssten unter Glas, müssten vor effektiv Vandalismus und Diebstahl geschützt werden. Aber die Mittel reichen nicht hinten und nicht vorne. Es ist ein Jammer! Das freundliche, überaus engagierte und um seine Gäste eifrig bemühte Personal macht vieles wett – diesem Mangel aber steht es auch hilflos gegenüber.


Venus und Cupido als Honigdieb von Lucas Cranach d. Ä. - ein Gemälde was allein schon den Besuch des Schlosses lohnt.**


So nahe Güstrow an der von Berlin nach Rostock führenden Autobahn liegt, so wenig ist es noch im Bewusstsein der kulturaffinen Touristen verankert. Das muss sich ändern! Das weithin grüßende Schloss mit seiner entzückenden Anlage sollte in Zukunft mehr Unterstützung auch durch die Kultusbehörden des Bundes erfahren, um die Attraktivität des Kulturstandortes Mecklenburg-Vorpommern seinem Potential entsprechend aufzuwerten. Denn allein das Schloss Gütrow ist einer schlummernden Prinzessin vergleichbar, der nur kulturfreie Narren die geschuldete Reverenz versagen.


Kunstvolles Mobiliar vergangener Epochen - beeindruckendes Zeugniss handwerklichen Könnens der Altvorderen.**


* Die Preußische Meile entspricht annähernd 7,5 km.

** Alle im Lichtbild dargestellten Kunstgegenstände sind Teil der Sammlung des Schlosses Güstrow und wurden mit freundlicher Genehmigung des Eigners, des Staatliches Museums Schwerin, vom 8. Januar 2013 abgedruckt.

weiterführende Informationen unter http://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Güstrow

 
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11. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012

08.01.2013