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Das Sprachniveau B 2 -
oder wie torpediert man Integration

Offener Brief an telc

 

Kotofeij K. Bajun
Premnitz. Sehr geehrte Damen und Herren, als Chefredakteur, der nebenbei Flüchtlinge bis zum Niveau B 1 unterrichtet, Orientierungskurse gibt und selbst mit einer Perserin verheiratet ist, die momentan an ihrer B 2-Prüfung laboriert, glaube ich mir ein realitätsnahes Bild von dem Unfug machen zu können, der mit den gegenwärtigen
B 2-Anforderungen über die Aspiranten hereingebrochen ist. Wenn es den Tatsachen entspricht, dass erst B 2 den Zugang zum deutschen Lehrstellenmarkt eröffnet, dann möchte ich den muttersprachlichen deutschen Jugendlichen und Lehrstellenanwärter sehen, der diesen Anforderungen genügt. Dann gäbe es BINNEN KÜRZESTER FRIST KEINE LEHRLINGE IN DEUTSCHLAND MEHR!!!

Denn diejenigen, die diesen Test bestehen, wird man sicher an denen Hochschulen wieder treffen, keinesfalls jedoch bei den IHK und Handwerkskammern. Insofern sehe ich einen massiv diskriminierenden Ansatz in der Definition solcher Bedingungen für die Erlangung des B 2 - Zertifikats.

Ob das verfassungskonform ist, sollte dringendst einer juristischen Überprüfung unterzogen werden. Vielmehr vermute ich in dieser weltfremden Rigorosität eine Filterfunktion, durchaus geeignet, Integrationsbemühungen auf breiter Ebene zu torpedieren und integrationswillige Ausländer und Neuankömmlinge effektiv auszubremsen.

Die Devise des Hosenbandordens "Honi soit qui mal y pense" scheint mir diesbezüglich durchaus zuzutreffen. Beispielsweise einen conjunctivus irrealis zu lehren und abzuverlangen, dünkt mich für C 2 angemessen, aber doch nicht für angehenden Lehrlinge! Wozu soll das gut sein? Bei der Lektüre telc-zertifizierter Lehrbücher habe ich mir bei vielen Aufgaben einfach nur noch hilflos an die Birne gegriffen.

Ein grauenvolles, teilweise hirnschelliges, vom Slang verseuchtes Dinglish, das ich meinen Redakteuren um die Ohren hauen würde, wettert mir da entgegen - doch den ordentlichen Gebrauch des so hochkomplexen Deutsch finde ich selten vermittelt. (Von der diskriminierenden Westdeutschland-Lastigkeit der handelsüblichen Lehrbücher, die von Ihnen zertifiziert wurden, sei an dieser Stelle schon geschwiegen!)

Die Textaufgabenstellungen, die das Leseverstehen schulen sollen, sind in ihren Lösungsangeboten so mehrdeutig, dass daran Erstsemester eines Germanistikstudiengangs verzweifelten. Mir ist es unverständlich, wie man solche Sprachniveau-Leitlinien verfassen kann.

Wenn Sie an der Zukunft Deutschlands interessiert sind, und ich spreche nicht von einer Zukunft, wie sie der AfD und deren ultrarechten Konsorten vorschwebt, dann sollten Sie den von mir beklagten Zustand ernsthaft überdenken!

Ihr Michael L. Hübner

-Chefredakteur i. R. -

25. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
26.07.2019