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Woher kommt der Herdentrieb?
Gerd Ganteför legt ein beachtliches Buch zu diesem Thema vor


Kotofeij K. Bajun Das ist nicht leicht – diesem Buch aus der Hand Gerd Ganteförs gerecht zu werden! Vielleicht sollten wir, was für eine Besprechung ungewöhnlich sein mag, den Aufsatz mit einem Zitat beginnen. Ein erfahrener Mann lehrte einst den jungen Bajun: "Merke Dir, mein Junge, mit dem Einzelnen wirst du meistens reden können, da ist oft genug Verstand vorhanden. Aber die Masse – die ist immer dämlich – und das macht sie in der Regel bösartig. Also halte Dich von den Massen fern!" Matthias Claudius hat es in seinem Brief an seinen Sohn Johannes ähnlich – nur etwas zartfühlender formuliert. Gerd Ganteför nun zeigt uns in seinem lehrbuchartig verfassten Werk auf, warum das so ist. ... obwohl er von der "Weisheit der Masse" spricht, Gott allein mag wissen warum.

Das Adjektiv "lehrbuchartig" ist übrigens als Kompliment zu verstehen. Nichts ist dröge, nichts mit erhobenem Zeigefinger vermittelt. Das würde auch Herrn Ganteförs Absicht auf skurrile Art und Weise konterkarieren – zitierte er doch süffisant Wilhelm Busch's Lehrer Lämpel im Bilde.

Nein, im Gegenteil – Herrn Ganteförs Buch imponiert, ja besticht geradezu durch seine glasklare Systematik. Es macht Spaß, in ihm zu lesen. Auch der Duktus ist denkbar einfach gehalten. Das mag wohl den Adressaten geschuldet sein, denen Herrn Ganteförs Werk am Nützlichsten wäre. Aber darauf kommen wir später zu sprechen.

Wer nun aber meint, Neues zu finden, der sei nicht enttäuscht: "Das Gesetz der Herde" ist eine sehr gute Synopsis des bis dato zusammengetragenen Wissens über das Verhalten des Nackten Affen. Apropos "Nackter Affe" – der Physiker Ganteför hat ein gut Teil seines Wissens von dem kongenialen – leider vom Nationalsozialismus völlig korrumpierten Konrad Lorenz – ja ja, ist ja gut – wir wollen schon die Botschaft vom Überbringer zu trennen wissen und unsere tiefe Enttäuschung über den gläubigen Nazi Lorenz herunterwürgen.

Warum aber nimmt das ansonsten ausgezeichnete Quellenwerk nirgendwo Bezug auf Desmond Morris? Diesen Leuchtturm der Verhaltensforschung und großen Entzauberer des Anthropozentrismus zu vernachlässigen, entzieht dem Buche leider den Anspruch auf Vollständigkeit.

Eines noch: Der Volksmund spricht: „Die in die Kirche gehen, denen braucht man nicht zu predigen. Und die anderen kriegt man nicht – weil sie nicht in die Kirche gehen!“

An wen also adressiert das Buch? An die hirnschelligen Deppen, die drauf und dran sind, die AfD mit ihren Stimmen zu etablieren? … mit den Stimmen blökenden Herdenviehs? Wohl eher nicht. Denn wer intelligent genug ist, die Botschaft Herrn Ganteförs zu verstehen und die Transmission zum eigenen Weltbild zu spannen, der wird wohl kaum den idiotischen Bauernfängereien der Extremisten auf den Leim gehen. Die wenigen intelligenten Funktionäre dieser Partei jedoch werden das Buch hohnlächelnd registrieren. Entlarvung brauchen sie nicht zu befürchten – wer nach den Erfahrungen des Dritten Reiches noch AfD wählt, der ist unbeschulbar und therapieresistent.

Uns ist dieses Buch ein Trost – lesen wir in ihm doch Worte, die uns aus dem Herzen gesprochen sind. So zum Beispiel Herrn Ganteförs Kampfansage an die Verfechter der sogenannten „political correctness“ und die mir ihr verbandelte Diktatur der Hypermoralisten, die nicht begreifen wollen oder können, dass sie eines Schlages sind mit den Diktatoren aller Couleur, welche die Menschen durch alle Äonen hinweg mit ihrem Treiben peinigten.

Je nun – diesen Kampf jedoch auszurufen, erinnert an das Ringen des höchst ehrenwerten Ritters aus der Mancha gegen die Windmühlen! Nicht, dass wir den Autor für realitätsfern hielten – ganz im Gegenteil! Das Ergebnis aber wird dasselbe sein. Denn, wie George Graf Talbot von Shrewsbury in Schillers „Jungfrau von Orleans“ schon sehr treffend bemerkte: Gegen Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens!

Was wir an den Ausführungen Herrn Ganteförs noch schmerzlich vermissen, ist die Analyse der Macht. Es geht immer um die Macht! Und um gar nichts sonst. Sie ist die ursächliche Triebfeder allen grundlegenden menschlichen Handels. Bei den Schwarmfischen steht noch das blanke Überleben des Einzelnen – und damit der Art – im Vordergrund. Beim Nackten Affen aber ist und bleibt es die Macht. Wo zwei Nackte Affen aufeinander treffen – da wird diese Frage unabdingbar schon gestellt! Dieses Thema, seine Dynamik, seine Auswirkungen werden im Buch angerissen – unserer Ansicht jedoch nicht pointiert genug. Das aber wäre enorm wichtig gewesen.

Während wir diese unsere Gedanken zu Herrn Ganteförs Werk zu Papier bringen, ertönt aus dem Hintergrund Beethovens Ouvertüre zu „Egmont“. Beethoven ging dem dussligen Gerede von der „Freiheit“ noch immer auf den Leim. Herrn Ganteförs Ausführungen und eine dezidierte Kenntnis der Dynamik der Macht hätte ihn befähigt zu verstehen, dass Lamoral von Egmond keinen Deut besser war als der Herzog von Alba oder König Philipp II. Es ist diesen Leuten, wie gesagt, nur und ausschließlich um die Macht zu tun und die einzige Freiheit, von der die Rede sein kann, ist die Freiheit dieser Demagogen, dem doofen Volke selbst in die Taschen fassen und des anderen gierige Pfoten aus jenen Taschen heraus klopfen zu können. So, wie es jedem Revolutionär nur darum geht, mit der Hilfe einer tumben Masse, denen sie das „Eiapopeia vom Himmel“ (Heine) erzählen, ausschließlich selbst an die Futtertröge zu kommen und damit die Ersparnisse und die Ressourcen der anderen zu akkumulieren.

Dazu hätten wir uns mehr und Ausführlicheres von Herrn Ganteför gewünscht.

Bilanzierend stellt sich die Frage, ob wir das Buch empfehlen würden. Natürlich tun wir das! Es sollte sogar zur Schulbuchlektüre erhoben werden. Nicht, dass sich am Wesen des Nackten Affen etwas ändern würde, wenn alle Bescheid wüssten. Aber unter Umständen erhöht sich doch die Zahl derer, die den Demagogen, Propagandisten und Bauernfängern nicht mehr auf den Leim gehen, sondern für die Werte einer pluralistischen und demokratischen Ordnung mit Wort und Tat einstehen. Denn dies ist das – es ist leider zu befürchten – utopische Ziel aller Aufklärung, in deren Regimenter sich Herr Ganteför als guter Soldat mit seinem vorgelegten Werke eingereiht hat.

Gerd Ganteför
Das Gesetz der Herde
- Von Primaten Parolen und Populisten
Macht und Unterwerfung bei Tier und Mensch -
Edition Zeitblende im AT Verlag 2018
ISBN-13: 978-3038000273
EVP € 29,-


 
B
13. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012

28.08.2019