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Verzauberte Manege
Circus Aramant spannt sein Zelt in Premnitz auf

Kotofeij K. Bajun. Berlin. Ein kleines Städtchen, ein kleines Zelt – aber ganz großer Zirkus! Zirkus ist ein Wort, das seit Generationen nicht nur Kinderaugen leuchten lässt. Bei diesem zu Recht! Es ist der kleine Circus Aramant, der für ein paar Tage in Premnitz gastiert, an den Ufern der Havel zwischen Rathenow und Brandenburg gelegen.

Kinder, die in der DDR aufwuchsen, kannten den Zirkus Aeros und den Zirkus Busch. Große Zelte – oder kam das den kleinen Kindern nur so vor? Doch, doch, das waren schon große Zelte, keine Frage. Vier Masten, die sich um das Rund verteilt schräg in den Zirkushimmel reckten. Dazwischen himmelhohe Trapeze und Schaukeln gespannt, Elefanten, Löwen, Tiger, Clowns in Kompaniestärke und viele, viele Artisten – jeder mit seiner eigenen Nummer, eine Vielzahl von Pagen, die das Nebenher besorgten. Glitzer und Perfektion.

Kann man das vergleichen mit diesem kleinen Circus Aramant aus Wiesenburg im Fläming? Mit seinen 30 Metern Durchmessern, seinem einem Clown, seinen beiden Artistinnen, dem Prinzipal, der bei Umräumen mit anpacken muss, den beiden Bediensteten, dem Pferdchen, den Ponys, Hunden und Gänschen? Kann man das?

Oh – man sollte das nicht tun – denn Aeros und Busch und ihre ganze pompöse Perfektion würden dabei böse ins Hintertreffen geraten. Damit soll kein Wort gegen diese großen Zirkusbetriebe gesagt sein – um Gottes Willen! Auch die brachten erwachsene und Kinderaugen zum Strahlen, auch die schufen mit beispiellosen Dressuren und artistischen Meisterleistungen Erlebnisse, die Jahre und Jahrzehnte nachhallten.

Was aber diesen kleinen Circus Aramant unter den großen brillieren lässt, dass ist die unbezahlbare Virtuosität ihrer beiden – ja, Sie lesen richtig – beiden Artistinnen. Die Damen, die in jedem ihrer allerliebsten Kostüme das Dirigat über Männerträume eroberten und das schöne Geschlecht neidvoll erblassen ließen, bespielten die gesamte Bandbreite der Zirkuskunst. Sie beherrschten das Hochseil ohne Netz und doppelten Boden, schwebten am von der Zeltspitze herabhängenden Schal, sie übernahmen die Dressuren über ihre Hunde und Pferdchens – und es waren gerade die Kleinstpannen, die nur dem geübten Auge auffielen, die das Herz wärmten.

Premnitz – das ist die Stadt der Chemie. Die aber war an diesem Abend rund um die Manege unter diesem Zirkusdach zu Hause und sie stimmte zwischen den Zirkusleuten und ihren Publikum.

Lass dem Cirque Soleil seine Perfektion – das wäre uns keinen Heller wert. Dort ist so viel Distanz zwischen den Agierenden und ihrem Publikum. Das hier, dieser kleine Circus Aramant – das fand seinen Platz durch unsere Augen direkt in unsere Herzen! Das gehört zu uns. Das gehört in unsere Mitte – das ist der wahre, ganz große Zirkus.

Denn dieser Zirkus ist noch ganz nah an seinem Ursprung, der Wurzel aller Zirkusse, dem Gauklergewerk der Vergangenheit. Das ist noch nicht überzüchtet, künstlich aufgeblasen, auf Effekt getrimmt. Das ist echt.

Was brauchen wir Tiger und Löwen? Die gehören nach Indien und Afrika und an derlei Sensationen mag sich ergötzen, wer da meint es nötig zu haben. Aber Pferde und Hunde, Zicken und Gänse – mit denen teilen wir unseren Lebensraum. Wenn die eine der beiden Amazonen uns mit ihrem Zossen die Spanische Hofreitschule vorführt, dann klatschen wir in unsere Hände, bis es wehtut. Wie die in Wien oder Madrid das kommentieren würden – das ist uns völlig wurscht! Für uns ist das hier eine große Kunst. Wenn die andere Fee ihre Pferdchen in verschiedenen Formationen durch die kleine Manege hoppeln lässt, dann staunen wir, die wir meinen, schon viel gesehen zu haben. Auf Risiko und Gefahr für Leib und Leben basierende Sensationen lassen uns völlig kalt. Aber diese Akrobatik, dieses Zusammenspiel von Tier und Mensch, das fasziniert und begeistert.

Ein Wermutstropfen trübt die Aufführung. Sicher, wir kommen noch aus der Zeit, in der man sich einen Schlips umband, wenn der Besuch im Kino, Theater oder Zirkus anstand.

Wer während einer Aufführung oder Vorführung mit seiner Fresserei oder Sauferei störte, der flog achtkantig raus. Diese Unsitte, als Zuschauer ständig an etwas herum knabbern und schlürfen zu müssen, kam aus den USA, dem Heimatland der Unsitte und der Kulturlosigkeit. Dieses barbarische Verhalten ist dem Drang geschuldet, noch aus der letzten Umsatzmöglichkeit ein paar Cent herauszuholen.

Bei Aramant wurde unter anderem Leuchtspielzeug verkauft. Vor der Vorstellung. Dass Kinder damit herumhantieren wollen, ist verständlich. Es sind deren erwachsene Begleiter, die über so viel Verstand verfügen müssten, dass diese Blinkerei und Blitzerei die Artisten und ihre tierischen Kollegen irritiert und aus dem Konzept bringen kann.

Wie gesagt – müssten. Doch die meisten Vertreterder gegenwärtigen Generation sind nun mal prunzblöd und nicht in der Lage, weiterzudenken, als ihre eigene konsumhörige Nasenspitze reicht. Unser Vierjähriger ließ sich ebenfalls davon beeinflussen und begann ein solches Gezänk und Geplärre, dass wir die Vorstellung vor der Zeit verlassen mussten, wenn wir nicht riskieren wollten, sie zu sprengen.

Das war schade, denn dieser Zirkus war jede Minute und jeden Euro wert. Als wir die Zeltbahn aufschlugen, um das Zelt vor der Zeit zu verlassen, da war uns das Herz schwer – ein Herz, das für einen wunderbaren kleinen Zirkus aus dem Hohen Fläming schlug.

Info.circusaramant@gmail.com

 
B
13. Volumen

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26.11.2023