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Funzel adieu!

Der Preußische Landbote verabschiedet sich mit tiefer Trauer im Herzen von einem großartigen Blatt!

Doch – es bleibt dabei: Es ist eine Katastrophe epischen Zuschnitts. Von solch einem Hammer wurden das letzte Mal die Dinosaurier getroffen. Deren Killer kam damals aus dem All – unser aus Berlin!

Da gab es also eine Beilage, die mit allen großen Blättern des deutschen Sprachraums mühelos mithalten konnte, ja, welche sogar verbindliche Standards setzte. Und diese Beilage konnte sich – das war nota bene ihr Alleinstellungsmerkmal – sogar eine eigene Zeitschrift leisten. Die Rede ist von der legendären Funzel, welche kostenlos den Eulenspiegel, Deutschlands genialste Satirezeitschrift, mitschleifte und über die Runden rettete.

Wenn der Kioskverkäufer an der Ecke verkündete, die neue Funzel wäre da, dann wurde man bleich im Hamburger, Kölner und Mainhattener Zeitungsviertel.

Doch nun brach auch diese Säule deutschen Geistes zusammen unter dem steten Ansturm des Ozeans der menschlichen Dummheit. Natürlich, um Funzel und Eule zu verstehen, bedurfte es mindestens einer halben Hirnwindung mehr, als sie eine Amöbe aufzubieten in der Lage ist. Und wer hat das schon?

Als ihr Verlust erstmalig in den Redaktionsräumen des Preußischen Landboten bemerkt wurde, gefror den Genossen Redakteuren Blut und Gesichtsausdruck. Schweigend setzte der Redaktionslehrling die preußische zivile Dienstflagge auf Halbmast und man hätte sich wohl zu einem ehrenden Gedenken erhoben, wenn die Beine nicht reihum den Dienst versagt hätten.

Der stellvertretende Chefredakteur des Landboten kabelte mit zitternden Händen ein Schreiben folgenden Wortlauts nach Berlin:

Liebe Genossen Kollegen!

Die erste Eule in meinem Nachwende-Leben, oder was man so noch Leben nennen kann, seit die Größte DDR der Ganzen Welt (GDDRGW) im Orkus der Geschichte versoffen ist, deren Sieger sie doch nach eigenem Bekunden hätte sein sollen, OHNE FUNZEL!

Das ist die Apokalypse, von welcher der offensichtlich opiumgetränkte Johannes auf Patmos schwafelte. Das sind jetzt alle Zeichen des Weltuntergans unifiziert in einem einzigen! Hölle, Pest und Schwefel! Wozu jetzt also noch eine Eule kaufen! Lars vom Mars - das war's!

Vielleicht sehen wir uns in einer beß'ren Welt wieder, denn ein Paradies ohne Eule ist denkbar - ohne Funzel aber kann es schlicht kein Paradies sein. Ohne Funzel ist alles die Hölle. Amen

Euer Kotofeij K. Bajun (Kidanow)
Chur-und Hauptstadt Branneborch anne Havel

Der im Hause des Preußischen Landboten hochverehrte ( - mangels Lichtbild steht ein leerer Bilderrahmen unmittelbar hinter dem Foto unseres Säulenheiligen Dr. Kurt Tucholsky, wie dieser nonchalant, top-elegant und noch gertenschlank auf einer Parkbank sitzt -) Dr. Mathias Wedel replizierte darauf:

Lieber Michael L. Hübner bzw. Kotofeij K. Bajun (Kidanow)

danke für Ihren Brief! Ich kann gut verstehen, dass Sie die Funzel vermissen. Aber leider: Zahlreiche Leser haben die Funzel nicht mehr gemocht - altbacken. dümmlich, frauenfeindlich usw. Mit der Zeit mussten wir einsehen, dass sich unsere Leserschaft verjüngt hat. Nun probieren wir, den Nonsens, der natürlich erhalten bleiben soll, in neuer Verpackung anzubieten. Mehr ist nicht passiert. Kein Weltuntergang.

Was die Nackte betrifft (die wird auch vermisst) - mit der hatten wir nun wirklich kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Wir wollen sie aber retten, und sie soll auf der Seite "vor 50 Jahren" wiederauferstehen.

Lieber Leser, eine Zeitschrift muss sich ab und zu auch ein bisschen wandeln. Und da Sie schon viel mit uns durchgemacht haben, bin ich überzeugt, dass Sie auch diesen Weg mit uns gehen werden. Hoffe ich jedenfalls.

Beste Grüße
Mathias Wedel
Dr. Mathias Wedel, Chefredakteur EULENSPIEGEL
10243 Berlin Gubener Str. 47 Tel. 030-29346311 www.eulenspiegel-zeitschrift.de

Ach wenn, das Johannes Conrad selig wüsste! Man vernahm einen dumpfen Aufschlag: Der Chefredakteur hatte sich hinter einen fahrenden Bus geworfen, Herr Katz deklamierte nur noch verzweifelt: „Oj gewalt, au wei geschrien!“

Was den beiden Herren durch den Kopf schoss? Der Gedanke, der Fels in der Brandung, der Eulenspiegel, Deutschlands Bastion, Trutzburg und letzte Print-Festung gegen die galoppierende Verblödung des Volkes, sei vor den Doofen eingeknickt, weil diese mit zunehmender Verjüngung des Volkskörpers dank DSDS und RTL zunehmend in der Mehrheit sind.

Bajun stellte sich zum Abschied melancholisch das legendäre Foto aus einer einstigen DDR-Funzelausgabe auf den Schreibtisch, mit einem kleinen schwarzen Bändsel versehen. Es zeigt eine ostdeutsche Hausfrau mit Haarwickler und Nudelholz in der Hand im Windfang ihres Hauses stehend. Vor ihr, auf den Stufen des Windfangs zur Straße hinunter, steht ein kleiner Schimpanse. Und die Hausfrau kommentiert die Szene mit den Worten: Das ist der Gipfel! Früher kam Erwin immer mit einem Affen aus der Kneipe nach Hause. Nu kommt der Affe schon allein!

Das war eine Sternstunde des deutschen Bildjournalismus! Lebe wohl Funzel! Lebe wohl, du großartigste Beilage seit der Einführung der Pressefreiheit! Wir werden dir ein ehrendes Andenken bewahren und ziehen unsere Dreispitze ganz, ganz tief!


B. St. Fjøllfross
Kotofeij K. Bajun (Kidanow) (Котофей К. Баюн (Киданов))
Don M. Barbagrigia
Jules-Francois Savinien Lemarcou
David Mendel Katz דוד מענדל קאץ
Scholcher M. Druckepennig שאלכער משהלע דרוקעפעניק
Akinokawa Michi 秋野川道
Michael L. Hübner

 
B
13. Volumen

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10.07.2017