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Blut verlangt nach Blut
1. Theaterfrühling holt Italien nach Viesen

von Michael L. Hübner
Das Heilige Römische Reich zerfällt in drei Teile: den italienischen Stiefel südlich der Alpen, Deutschland im Norden und – für einen Nachmittag – Viesen unterhalb des Fieners. Dort nämlich führte Lehnschulzin Katja Schröder anlässlich des 1. Viesener Theaterfrühlings italienische Verhältnisse auf dem weitläufigen Vierseitenhof ein. Jedes Klischee, was die beiden ungleichen Brudernationen nördlich und südlich des St. Gotthardt seit Jahrhunderten übereinander tradieren, kam auf der herrlichen kleinen Scheunenbühne inmitten der lieblichen Buckaulandschaft zum Vortrag. Da lasen die beiden Wahlrömer Susanne Schmidt und Sven Severin aus ihrem Bauabenteuer sowohl am Rand der Ewigen Stadt als auch jeglicher Legalität, wenn dieser Begriff auf in Italien überhaupt irgendwie sinnfällig zu unterlegen ist. Eine borstige Staatsanwältin verhängt auf Pappschildern einen Baustopp, der Bauleiter meint lachend, das erst sei die begehrte „Licencia“ zum Weiterbau. Desungeachtet rücken die Polizei und ein Bagger an und beginnen die Terrasse zu ramponieren. Ein Polizist weint...! Nein, man hat sich nicht verhört: Ein Polizist weint in Ausübung seines Dienstes ob seines Auftrages. O Mamma mia, bella Italia! Ein Rechtsanwalt, der keiner ist, sondern nur der Papa eines angehenden Referendars im Nadelstreifen, findet die Gesetzeslücke. Die Beamten rücken ab. Aber das ist noch nicht das letzte Wort – und elektrischen Strom bekommen die Neurömer auch erst nach einer eidestattlichen Versicherung, dass das Haus schon vor 1976 gebaut wurde. Wurde es natürlich nicht, sondern erst 13 Jahre später. In Italien ist alles eine Auslegungsfrage – ein im Fundament verschwundener Stein mag als Beleg hinreichend sein, dass mit dem Bau schon vor 1976 zumindest begonnen wurde. Draußen wiehern die Pferde der Polozucht, in der Scheune wiehert das Publikum, begleitet vom melodischen Gemecker der Ziegen. Theateratmosphäre, wie sie nicht einmal das Globe auf die Bretter brachte. Die schwarz-weiße Hofkatze geht erhobenen Schwanzes vorbei. Sie beherrscht die Omerta, das Mafia-Gesetz des Schweigens. Von ihm künden in der Weise schauriger Moritaten, begleitet von Gitarre, Akkordeon und Tamburin, Michaela Benn, Andree Östen Solvik und Ludger Nowak. Der Boden der Bühnen-Scheune besteht aus gestampftem Lehm – jetzt wissen wir auch warum. Das Publikum trampelt, und pfeift und johlt, während die drei Mafia-Barden mit dem großen musikalischen und komischen Talent ihre bis vor Kurzem verbotenen Lieder auf kalabresisch und deutsch dahinschmachten. Mord und Totschlag verkünden sie dem Verräter – die Kuh auf der Weide begleitet diese finsteren Drohungen unentwegt und tapfer mit ihrem traurigen Gebrüll, die Schwalben zwitschern verunsichert, während zwischen den Liedern aus einem Interview mit dem berüchtigten Mafia-Killer Giorgio Basile zitiert wird. Basile verrät und verrät, doch die richtige Zementmischung für sizilianische Badelatschen erfährt das Publikum denn doch nicht. Auch ein Verräter hat noch einen Begriff von Ehre. Blut verlangt nach Blut und das fünf Dutzend starke Publikum verlangt nach der Pasta, die Severin und Schmidt zubereitet haben. Das Rezept stimmte, sowohl das der Pasta als auch das der Veranstaltung: Die Besucher strömten aus Wusterwitz, Berlin, Leipzig, Köln, Stuttgart und Los Angeles auf den Viesener Lehnschulzenhof. Die große weite Welt – Brandenburg an der Havel muß aufpassen bei so viel Internationalität in der kleinen Nachbargemeinde. Das Geheimnis ihres Erfolges wird den Viesener Lehnschulzen nur schwer abzuluchsen sein – darüber verhängen sie die Omerta – das augenzwinkernde Gesetz des Schweigens.

 
B
8. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
27.05.2009