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Burg Kriebstein
eine Burgenlegende hoch über der Zschopau

 

J. - F. S. Lemarcou
Wer sie nicht kennt, weiß nichts von einer echten Burg. Burg Eltz, hmm. Burg Schwanstein – ach Du lieber Gott! Burg Falkenstein in Thüringen – ja, doch. Die Wartburg – kitschig im 19. Jahrhundert überbaut. Burg Kriebstein in Sachsen – das ist eine Burg. Mutmaßlich die schönste im ganzen Freistaat, nahe bei Mittweida, der Stadt am Nordrand des Erzgebirges. Stolz erhebt sie sich hoch über der Zschopau – dem schönsten Fluss der Gegend. Auf einen Bergsporn hat sie einst ein Herr Dietrich von Beerfelde gebaut.

Am 04. Oktober 1384 hielt der adlige Ritter diesen bedeutsamen Umstand in einer Urkunde fest. Seitdem steht sie da. War gar zuletzt im Besitz der von Arnims, nobler Leute, deren Geist seine Spuren in den alten Mauern hinterließ. Aber es ist nicht so sehr der Arnim'sche Geist, der uns fasziniert. Es ist der erste Schritt, den wir in den Wohnturm hinein tun. Gleich linker Hand – ein gewölbter Raum der uns den Atem stocken lässt.

Das ist die Handschrift von Meister Arnold. Arnold von Westfalen – Genius der Gotik, Arnold der Große, Baumeister der Meißner Albrechtsburg, die recht eigentlich Arnoldsburg heißen müsste. Gefüllt mit den wenigen, aber herrlichen Schätzen, die dem Kriebstein nach dem Kriege geblieben sind, Porzellan, silbervergoldete Humpen, Steinzeug, Bücher, geschnitzte Heiligenfiguren, Kelche, Teller...

Dann – ein gotisches Schlafzimmer mit Außenklo, hoch über der Zschopau. Nein, lassen wir mal das Plumpsklo beiseite, die Tür geschlossen. Dieses Schlafzimmer ist ein Traum. Wo seid Ihr, Hiendl und Ikea, Möbel-Höffner und Roller – ihr armseligen Vertreter einer einfallslosen Gegenwart!

Das hier – DAS ist ein Schlafzimmer. Endlose Behaglichkeit, zeitlose Schönheit, traumhafte Lage – nein, besser geht’s nicht. Doch wir kommen nicht zum Luftholen. Ein paar Schritte durch die gotische Halle und wir steigen hinab in die kleine Burgkapelle. Was uns erwartet ist unbeschreiblich. Gotische Wandmalereien über und über.

Sie verschwimmen vor unseren Augen, die sich bei dem Anblick der wohlrestaurierten Pracht mit Tränen füllen. So etwas haben wir noch nicht gesehen. Feine ausdrucksgewaltige Zeichnungen, Farbenpracht allüberall... wir zitieren die Burg Ziesar und die Rundkirchen Bornholms, wir kramen aus unserem Gedächtnis alles, was uns zum Thema Aufputzmalerei einfallen will – nein. Nein und nochmals nein. Hinter dieser Kapelle kommt erst einmal eine ganze Weile gar nichts. 1410 haben die unbekannten Meister ihr wunderschönes Bildprogramm in Secco-Technik ins Werk gesetzt. Ihre gemalten Vorhänge, die sich doch im Windzug bewegen und flattern müssten, so lebendig sind sie dargestellt. 1410 – Baumeister Nicolaus Craft aus Stettin baut der Brandenburger Neustadt den neustädtischen Mühlentorturm, auf den Feldern bei Tannenberg in Ostpreußen sank das Banner des Deutschen Ordens vor den polnischen und litauischen Rittern – das dramatische 14. Jahrhundert war soeben zu Ende gegangen und hatte seine Spuren tief ins Herz Europas gegraben.

Das Echo dieser dunklen Zeit wetterleuchtet aus den Fresken. Doch sollte dies nicht die einzige dunkle Epoche der stolzen Burg sein. Die Nazis hatten ihren Gegner Heinrich Graf Lehndorff umgebracht, dessen Sippe enteignet. Die Lehndorff'sche Habe wurde auf den Kriebstein gebracht.

Die Mörder wurden ihrerseits von der Roten Armee überrannt, die sich im nahen Mittweida auf der Zschopau-Brücke mit den Amerikanern traf. Nun waren es die Roten Diktatoren, die dem Adel auf den Pelz rückten. Die von Arnims mussten ihr Bündel schnüren. Alles passte da nicht rein. Den bolschewistischen Plünderern wollte man die überzähligen Schätze nicht überlassen und versenkte, was ging, in einem stillgelegten Kamin. Noch gut in Erinnerung ist dem Landboten die Agenturmeldung aus dem Jahre 1986, als der Kamin geöffnet wurde und der Sensationsfund ans Tageslicht kam.

Zum Verschnaufen lädt ein wunderschöner Scherenstuhl ein, der in einem abgelegenen Zimmerchen steht, in eine Ecke gedrückt, hinter leeren Vitrinen. Wir sehen durch die Butzen hinaus ins Zschopautal, in den Hof, auf dessen gegenüberliegender Seite das Brunnenhaus liegt. 36 Meter tief gähnt das Brunnenloch. Hat hier der Soldat sein blaues Feuerzeug gefunden, das ihn später vor Rad und Galgen bewahrte? Ein weiterer, tonnengewölbter Kellerraum in der Tiefe der Burg, über dem sich ein wunderschöner Festsaal befindet, schließt den Osten der Burganlage ab. Man möchte sie nicht verlassen, diese Burg Kriebstein, die nun dem Freistaat Sachsen gehört. Man muss wohl, denn zum Jahreswechsel öffnet dieses imposante Monument sächsischen Adels nur einmal am Neujahrstag die Türen für ein paar Stunden. Aber es wird wohl auch wieder Sommer werden – und dann wird Burg Kriebstein zweifelsohne einer der stärksten Magneten sein, die uns wieder an die steinigen Ufer des bezaubernd wilden Fräuleins Zschopau ziehen.

 
B
8. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
10.01.2010