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Ungewöhnliches entdecken

„111 Orte in Potsdam“ von Dr. Tom Wolf

Kotofeij K. Bajun
„Jetzt sind wir also in Potsdam! Mutter, was sagt denn der Baedeker, wo wir zuerst hingehen?“ Ja, was sagt denn der Baedeker? Schauen wir doch mal hinein! Da ist von Sanssouci die Rede und vom neuen Palais, von der Orangerie und von der Alexandrowka, von Cecilienhof und von der Nicolaikirche. Aber seien wir doch mal ehrlich, so richtig wird doch die Residenz interessant außerhalb der ausgelatschten Pfade. Und das leistet ein Reiseführer der besonderen Art. Der Homburger und Wahlpreuße Dr. Tom Wolf, bekannt geworden durch seine überwältigend intelligenten und spritzigen Preußenkrimis, sicherte sich die brandenburgische Landeshauptstadt in der Reihe „111 Orte“ aus dem Kölner emons-Verlag. Sein beachtliches Debüt hatte er bereits mit dem Bundesland Brandenburg abgeliefert, mit seiner Frau Rike nahm er ebenfalls die Freie Reichsstadt Frankfurt am Main unter die Lupe – der Ritterschlag sozusagen, Mainhattan weckte mit Sicherheit die Begehrlichkeit vieler ausgewiesener Autoren. Wolf bekam den Zuschlag.

Blättert man durch den Potsdamer Reiseführer der anderen Art, dann herrscht an Skurrilitäten kein Mangel: Der Kreml hoch über Potsdam auf dem Brauhausberg ist da sicher noch das augenfälligste Beispiel. Ob es sich um berühmte Sichtachsen handelt, versteckte und vergessene Orte wie die Grabstätten heute unbekannter GPU-Opfer aus der Zeit des Widerstands gegen die sich etablierende DDR, ob es eine Exklave in Westberlin ist oder die Enver-Pascha-Brücke – selbst alteingesessene Potsdamer werden staunen, was es in ihrer Stadt so alles zu entdecken gibt. Wie Wolf an seine sehr speziellen Informationen gekommen ist, wird wohl sein „Betriebsgeheimnis“ bleiben. Dass dazu eine wahre Titanenarbeit an Recherche zu bewältigen ist, dürfte keine ernstzunehmende Frage sein.

Das Besondere an diesem neuen Vertreter der „111 Orte“ ist, dass es nicht des Autorennamens bedürfte, um das Werk eindeutig und auf den ersten Blick zuordnen zu können. Es ist dieser unverwechselbare Wolf'sche Duktus, diese Melange aus sublimem Witz und exzellentem Hintergrundwissen, welche die Lektüre so unterhaltsam machen, selbst wenn man nicht soeben erst die Eisenbahn auf dem Potsdamer Stadtbahnhof verlassen hat. Warum wir noch den alten Namen des heutigen Potsdamer Hauptbahnhofs verwenden? Nun, holen sie sich das Buch, die 15 Euro sind hervorragend angelegt und setzen Sie sich auf eine der halb überwucherten Bänke auf den verlassenen Bahnsteigen des Bahnhofs Pirschheide. Der war nämlich früher mal der Hauptbahnhof der Bezirkshauptstadt Potsdam, zu einer Zeit, als das Unkraut auf den verlassenen Perrons des Stadtbahnhofs blühte. Dort haben sie alle Ruhe der Welt, nachzulesen, wie die große Weltgeschichte die Verkehrskonzepte von Residenzen umkrempelt. Ist interessant – versprochen!

Tom Wolf
111 Orte in Potsdam, die man gesehen haben muss
emons Verlag Köln
235 Seiten
ISBN 978-3-95451-419-9
€ 14,95

 

 
B
12. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012

15.02.2015