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M*A*S*H
Eine Serie rettet die Ehre Amerikas

Kotofeij K. Bajun
Die große Liebe ist es wohl nicht zwischen dem Preußischen Landboten und den Vereinigten Staaten von Amerika. Das ist kein Geheimnis. Wenn jemand wie Donald Trump es bis zum Präsidentschaftskandidaten bringen kann, so bestätigt das jene Ansicht, die im Landboten bislang zu den USA zu lesen war. Nie jedoch ging es darum, die ganze Nation unter Generalverdacht zu nehmen. Das wäre auch töricht. Aber es scheint doch so, dass die Masse der Nachkommen jener Wirtschaftsflüchtlinge, die einst das Land überfluteten und dabei deren einst stolze Ureinwohner zu macht- und hilflosen, gebrochenen Verlierern der Weltgeschichte verdarb, einer heuchlerisch-bigott-christlichen, arroganten, raubgierigen und dabei oberflächlichen, gewalttätigen, großspurigen, ignoranten und saudummen Attitüde folgt.

Aber …! Und das muss auch gesagt werden: Es gibt auch dieses andere Amerika! Ein Amerika, das zu Höchstleistungen befähigt ist. Ein Amerika, und das ist noch viel wichtiger, das den Menschen exakt die Freiheit bietet, die es zu bieten beansprucht.

Doch, ja, das muss unumwunden zugegeben werden: So etwas wäre in Moskau nicht möglich gewesen. Dort nicht – und wahrscheinlich kaum irgendwo anders auf dem Planeten. Wir reden von Joseph Hellers absolut genialem Catch#22 und wir wollen heute und hier reden von einem würdigen Nachfolger dieses Jahrhundertbuches: der Fernsehserie M*A*S*H.

Dafür bewundern wir die Amerikaner. Denn hier gestatten sie sowohl den Filmleuten als auch dem weltweiten Publikum nicht nur, über ihr Allerheiligstes zu lachen. Hier erlauben sie sogar, dieses Allerheiligste generell in Frage zu stellen. Die Amerikaner hätten alle Möglichkeiten der Welt gehabt, diese wunderbare Serie in den Orkus zu schießen. Sie taten es nicht! Das ist Größe. Dafür ziehen wir den Hut vor ihnen.

Denn streng genommen ist M*A*S*H Defätismus vom Feinsten. Die Helden Captain Benjamin Franklin „Hawkeye“ Pierce, sein Freund und alter ego Captain John Francis Xavier „Trapper“ McIntyre, aber auch der etwas vertottelte aber herzensgute Kommandeur des Militärhospitals - M*A*S*H steht für Mobile Army Surgical Hospital - Lieutenant Colonel Henry Braymore Blake nämlich sind Antihelden von der feinsten Sorte. Sie sind Menschheitsvorbilder in einer höllischen Umgebung, die doch eigentlich so recht dem martialischen Charakter der Amerikaner entsprechen sollte: Das Militärhospital versorgt in Frontnähe die Opfer des mörderischen Koreakrieges. Just dieser Vorzeigeamerikaner manifestiert sich denn auch in der Gestalt des bigotten Major Frank D. Marion „Ferret Face“ Burns, der obschon verheiratet, eine nicht minder heiße Affäre mit der ebenfalls mit einer handfesten Doppelmoral ausgestatteten Major Margaret „Hot Lips“ Houlihan unterhält.

Just diese beiden letztgenannten amerikanischen Urtypen werden als humorlos, feige, fachlich unterlegen und notgeil beschrieben. Der Großmäuligkeit eines geistig inerten Major Burns steht der stille aber durchschlagende und intelligente Mut eines McIntyre und eines Pierce gegenüber, die – getrieben von einer inneren Integrität und einem ernst genommenen, nicht korrumpierbaren ärztlichen Ethos – einen Blindgänger entschärfen, mit den Chinesen direkt verhandeln, ein koreanisches Kind aus einem Minenfeld retten und einen koreanischen Bruchpiloten mit großem Hallo begrüßen anstatt, wie Burns es durchsetzt, das Lager mit einer Flak auszustatten. Vorgetragener Mut wandelt sich vor den Augen der Zuschauer in der fordernden Situation in Feigheit, und eingestandene Angst mündet in Tapferkeit. Das ist ein großes Verdienst von M*A*S*H!

Somit sind diese beiden Figuren Burns und Hot Lips, die so sehr auf der ideologischen Linie des Pentagon in einem aberwitzigen Freund-Feind-Schema gefangen sind, die wahren komischen Gestalten der Serie. Mit ihnen wird all das demontiert, ja nachgerade zertrümmert, was sie verkörpern. Die Charaktere werden unbarmherzig der Lächerlichkeit preisgegeben. Um den Kontrast zu verschärfen, lassen die Serienmacher keine Gelegenheit aus, die tiefe Humanität von Pierce und McIntyre, die auch den verwundeten Feind als gleichwertig mit den eigenen Soldaten ansieht, herauszustellen. Die bitterbösen, bissigen Bemerkungen über die Sinnlosigkeit und Grausamkeit des von den beiden hochgebildeten und versierten Chirurgen verachteten Krieges wäre bei der Wehrmacht glatt als Wehrkraftzersetzung durchgegangen.

Just das ist es, was diese amerikanische Serie, die von 1972 und 1983 ausgestrahlt wurde, so unglaublich wertvoll macht. Ihre vielen Auszeichnungen, darunter sage und schreibe 14 Emmys, sind mehr als ungewöhnlich – aber hoch gerechtfertigt.

Sicher – so ganz konsequent kommt auch M*A*S*H nicht an Liebe, Kuss und Kalauer vorbei. Man muss halt die Stulle so schmieren, dass sich die bittere Pille darin gut verstecken lässt und sie am Ende auch vom Dümmsten noch – geschluckt wird!

Es ist merkwürdig. Möglicherweise hat erst der Vietnamkrieg, der zur Zeit der Erstausstrahlung in Amerika gerade in seiner für die USA fatalen Endphase war, M*A*S*H erst möglich gemacht. Der Irrsinn dieses ebenso hohen wie vergeblichen Blutzolls verlangte geradezu nach einer schrägen, humorvollen und nichtsdestotrotz bitter anklagenden Satire, einer Tragikomödie, die mit all dem Selbstbetrug aufräumt, mit dem die gescheiterten Krieger aller gewalttätigen Konflikte auf diesem Planeten ihre zerbrochenen Biographien zu kitten suchten.

Für uns aber liegt das Wertvollste in dieser großartigen Serie in der ständigen Mahnung, das amerikanische Volk nicht unisono über einen Kamm zu scheren. Auch Pierce und McIntyre sind Amerikaner, auch sie sind amerikanische Prototypen. Diese beiden Ärzte und die Väter und Mütter von M*A*S*H sind die Ehrenrettung eines Volkes, das als Ganzes mehr historische Chancen vertat, als wahrscheinlich jede andere Nation der Menschheitsgeschichte.

 

Dieser Beitrag ist der 400. Aufsatz der Joseph-Roth-Rubrik Bücher, Filme und Kultur, die zu diesem feierlichen Anlass in Joseph-Roth-Redaktion Kultur umbenannt wurde.

 
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12. Volumen

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21.07.2016