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Verstörendes Faszinosum

Die Reichsburg Kyffhausen ist einen Ausflug wert

Abb. 1 wenn eine Gesellschaft pubertiert...

Kotofeij K. Bajun
Eines vorne weg: Schön ist etwas anderes! Das wuchtige Denkmal im Stil der vorletzten Jahrhundertwende, klotzig, protzig, brutal, hat nicht nur ein Drittel der alten Oberburg der Reichsburg Kyffhausen zerstört, es dröhnt auch wie ein Monolith in die Landschaft, auf einem Bergrücken, der dem Besucher von vor neunhundert Jahren sicherlich den imposantesten Anblick bot. Die vieltürmige, langgestreckte Burg, immer wieder durchbrochene Silhouette, dokumentierte wirklich des Reiches Macht und Herrlichkeit. Dieses Denkmal dort oben, das weist lediglich darauf hin, wie die Geschichte seitdem verlaufen ist. Als der letzte Staufer zu Neapel seinen rotblonden Kopf verlor, war es für Jahrhunderte aus mit der Chance auf einen starken Zentralstaat in der Mitte Europas. Fremde Mächte tobten sich seither immer wieder auf dem Gebiete Deutschlands aus, vergewaltigten, brandschatzten, mordeten, plünderten, überfielen das wehrlose Reich und nahmen ihm schamlos seine Gebiete fort. Allen voran die westfränkischen Vettern!

Abb. 2 Der Burggraben zwischen Ober- und Mittelburg

Ob unter dem Sonnenkönig oder unter Napoleon – wieder und wieder waren sie ungebetene Gäste an den östlichen Ufern des Rheins. Bis sich das Reich auf die Hinterbeine stellte und in den Jahren 1870/71 so brutal nach Westen zurückschlug, dass der mittlerweile dekadent gewordenen Grande Nation das Hören und Sehen verging. Vom Rausch dieses Sieges schier besoffen, brachen sich in Deutschland die über die Jahrhunderte aufgestauten Minderwertigkeitskomplexe hemmungslos Bahn und ergossen sich ungehemmt in Bismarck- und Kaiser-Denkmälern und anderen Jubelklötzern, welche die Macht des Reiches in seiner Einigkeit beschworen. In einem ähneln sich diese Bauten alle: Vom Standpunkt der heutigen Ästhetik gesehen, sind sie alle ausnahmslos hässlich. Erigierte Steinpenisse einer endlich pubertierenden Nation, voller Allmachtsphantasien und Größenwahn.

Abb. 3 Der letzte, übrig gebliebene Turm auf der der Oberburg

Leider, leider gab es im Deutschland dieser Zeit keine auch nur noch so unscheinbare Kraft, die hätte Einspruch erheben können. Keinen bewahrenden Denkmal- oder Landschaftsschutz – es gab nur dieses eherne Getrommel eines mächtigen Jungaffen, der im europäischen Rudel endlich mal den Senior vom Thron geschubst hatte.

Abb. 4 Das Nationaldenkmal vom Burggraben aus

Schade, denn heute wird man diesen Firlefanz nicht wieder los, ohne mit just den Leuten in schwere Konflikte zu geraten, die damals fehlten, um diese Bauten des Irrsinns zu verhindern. Sei's drum.

Geblieben sind auf der Reichsburg Kyffhausen einige Artefakte, die allerdings des besseren Verständnis halber während mehrjähriger, anspruchsvoller Rekonstruktionsarbeiten behutsam aufgemauert wurden. Geblieben ist eine herrliche Sicht bis zum Brocken, dessen Antenne sogar aus den sechzig Kilometern Entfernung zu sehen ist. Geblieben ist der im 19. Jahrhundert wieder freigelegte tiefste Burgbrunnen Deutschlands, dessen Wasserspiegel in 176 Metern Tiefe blinkt. Geblieben ist der Stumpf des Barbarossa-Turms, der so heißt, obschon nicht sicher ist, dass der Herr Kaiser Rotbart jemals auf der Burg gewesen ist. Fest steht nur, dass er unten war, am Fuß des Berges, in der Königspfalz Tilleda. Geblieben sind auch die über 300 Millionen Jahre alten Baumstämme, die noch aus der Zeit stammen, als das Kyffhäuser-Gebirge ein Teil des gigantischen, bis fünf Kilometer hohen Variskischen Gebirges war und irgendwo in Äquatornähe herumschwamm. Sie treffen wohl die wahrhaft philosophische Aussage: Der Mensch, der diese gewaltige Burganlage schuf, von der nur eintausend Jahre später kaum noch etwas zu sehen ist, spielt eigentlich keine große Rolle. Er glaubt es nur. Weil er dessen aber tief im Innersten seines Herzen davon auch nicht so recht überzeugt ist, klotzt er Bauwerke in die Landschaft, die für die Ewigkeit gemacht scheinen. Und siehe – über ein Kurzes sind sie nicht mehr vorhanden und die Steine, aus denen sie einst aufgerichtet wurden, unterscheiden sich in nichts mehr von dem Geröll, dass von der Erosion ins Tal getragen wurde. Und der Wind wird streichen über die letzten Kuppen des einst mächtigen Variskischen Gebirgsriegels, bis auch diese zu einer Ebene abgeflacht ruhen auf einem dann menschenleeren Kontinent. Und ob sich hier vor Jahrmillionen ein paar Nackte Affen feierten, weil sie anderen Nackten Affen den Schädel eingeschlagen hatten, die ihrerseits ihnen lange genug das Fell versohlten – davon wird vielleicht noch die Spur eines Reliefs künden, dass eine Seite irgendeines Steines ziert. Die Kreaturen aber, die dann an diesem Stein vorüber schreiten, krauchen, hüpfen, werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kein Auge mehr dafür haben.

Abb. 5 beeindruckende Zeugen einer Zeit vor dem Nackten Affen ...

 

 
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12. Volumen

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30.06.2014