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Die Pfarrerstochter
Antonia Magen

Kotofeij K. Bajun
Dass „Die Pfarrerstochter“ aus der Grabbelkiste eines Discounters gefischt wurde, hat der historisierende Kriminalroman nicht verdient. Sicher, das Klischee ist langsam zum Gähnen: Emanzipierte, hochgebildete Frau setzt sich in der als extrem frauenfeindlich kolportierten Epoche der Frühneuzeit gegen eine schurkische Männerwelt durch, muss dafür beinahe mit dem Leben bezahlen und findet dennoch den ein oder anderen verständnisvollen Mann, der den antifeministischen Zeitgeist nicht teilt und ihr Unterstützung angedeihen lässt.

Warum die Wahl auf dieses Buch fiel, als wir uns kurz entschlossen mit etwas Urlaubslektüre versorgen wollten? Allein die Biographie der Autorin Dr. Antonie Magen ließ aufhorchen. Sie steht ihrer Protagonistin in nichts nach. Immerhin promovierte sich die Germanistin selbst! Das mach einer nach! Unsere Universitäten behielten sich das Promotionsrecht vor und promovierten demnach die erfolgreichen Verteidiger ihrer jeweiligen Dissertationen. Antonie Magen nimmt das uralte Procedere samt wissenschaftlichem Privileg gleich selbst in die Hand. Anders kann es nicht sein, denn eine Germanistin kennt den Unterschied zwischen Aktivum und Passivum und geht sorgsam mit der Sprache um. Woher wir das alles wissen? Die Kurzbiographie von Frau Dr. Magen auf dem Schmutztitel gibt entsprechende Auskunft.

Nun aber zu ihrem Erstling in der Welt der historischen Romane. Angesiedelt hat sie ihren Stoff auf der Insel Usedom in der Zeit nach der Schwedeninvasion, im Frühherbst des Jahres 1632. Der kurzsichtige Löwe aus Mitternacht, König Täve, sandte seine marodierenden Befreiungstruppen ins Heilige Römische Reich, und sorgte, wie alle anderen kriegsteilnehmenden Horden für unbeschreibliches Elend. Es ist Antonie Magen zu danken, dass sie gerade diese Gräuel nüchtern und ohne jedes Pathos beschreibt und damit dem Grauen eine authentische Gestalt verleiht.

Die Erzählung selbst ist gut konstruiert, kommt jedoch teilweise etwas langatmig, redundant und teils im Stil schwächelnd einher. Replizierte Artikel nach dem Komma („..., die die …) sollte man von einer Germanistin nicht erwarten; „..., welche die...“ hat auch etwas für sich. Ebenfalls auffällig ist der Duktus, der auf eine süddeutsche Provenienz schließen lässt: "... er war gesessen ...". Das sagt hier im Nordosten niemand, außer zugereisten Wessis. Hier "haben" die Leute gesessen. Das klingt fremd und nicht in die Landschaft gehörend.

Ob die ansonsten gut recherchierte Zeit allerdings alles hergibt, was Frau Magen in sie hinein dichtet, sei dahingestellt. So bleibt uns die Schriftstellerin die Antwort schuldig, woher ein armer Landpfarrer die finanziellen Mittel bezog, die ihm den Aufbau einer international bekannten Bibliothek gestatteten. Sei's drum. Gönnen wir das Schartekenkonvolut dem alten, geistlichen Herren, zumal die Herrin des Geschehens die Sammlung durch die völlig entartete Soldateska vernichten ließ.

Lobenswert ist ebenfalls die Dramaturgie, die Frau Magen ihrem Werke unterlegt. Dass die Heldin buchstäblich in letzter Sekunde vom Herzog und Landesvater gerettet wird, scheint schon beinahe die Grenze zum Kitschigen zu tangieren. Hätte der ICE aus Padua nur eine Minute Verspätung gehabt... Nicht auszudenken...! Huach! Alleine die Vorstellung erschüttert uns. Aber dann. Der am Ende der Erzählung wegen partiellen Versagens abgekanzelte Retter entscheidet sich nicht für den ehrenvollen Seppuku, sondern nimmt sich des unschuldigen und misshandelten Engelchens mit dem bezeichnenden Namen Irene (Eirene ist ja nun mal die griechische Friedensgöttin) an und entführt sie – dibidibidip nach dem sonnigen Italien – wo das Leben so leicht, locker und flockig ist.

Ja, mit den sprechenden Namen hat Frau Magen das sowieso. Den Antihelden und finsteren Schurken nennt sie Urian Olobaid von Greifenhöll. Eine Frage, Frau Magen, welches christliche Ehepaar des Barock hätte die Traute gehabt, dem Pfarrer zur Taufe des Söhnleins den Namen des Antichristen, des Satans, des Urians vorzuschlagen? Der Zweitname liest sich von hinten dann auch folgerichtig "Diabolo". Sollte das wendisch klingen? Nö, isses nicht. Ein gefälligeres, hübsches, nicht gleich so offensichtliches Anagramm hätte es vielleicht auch getan. Hier lässt allzu auffällig der Baron Lefuet aus James Krüss' "Timm Thaler oder das verkaufte Lachen" grüßen. Aber immerhin - der leibhaftige Satan ist damit deutlich genug charakterisiert. Die Katholiken hätten, außer in Toledo, vielleicht noch über das Scherzle gelacht, die protestantischen Mucker aber hätten um die Errichtung des größten Scheiterhaufens für die durchgeknallten Eltern gewetteifert.

Überhaupt scheint die Autorin über einen, vielleicht etwas behäbigen, dennoch sublimen Humor zu verfügen. So verlegt sie die Geschichte des Reiters vom Bodensee auf einen zugefrorenen Usedomer Tümpel und zitiert auf den letzten Seiten des Romans das Ende von Kleists Lustspiel „Der zerbrochene Krug“. Dort ist es der auf Abwege geratene Dorfrichter Adam, der sich hinkend in die Ferne trollt, hier der ebenfalls als Vertreter der Obrigkeit fungierende, hinkende Landesverweser Urian Olobaid von Greifenhöll, der in Abwesenheit seines Chefs das Land der Greifenherzöge in eine Hölle verwandelte und auch noch mit den Invasoren kollaborierte. Hier allerdings bewies Frau Magen Konsequenz. Wer Urian heißt, muss hinken. Das ist ja nun mal eines der Kernattribute des Höllenfürsten. Wir schnüffelten dann auch folgerichtig noch einmal an den 373 Seiten des Büchleins, ob uns nicht ein leichter Schwefelgeruch die Gegenwart des Bösen beläge. Nichts dergleichen, leider. Aber wenn Sie „Die Pfarrerstochter“ unter der ISBN -13 978-3839214978 für den erschwinglichen Preis von dreizehn Euro beim Verlag Gmeiner erstehen, dann haben Sie die Möglichkeit, unsere nachlassenden Riechkolben eines Besseren zu belehren.

 
B
12. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012

04.12.2014