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Merz
versus Woidke
Michael L. Hübner. Havelsee. Gegensätze,
Polarisierungen, Abgrenzungen … Irgendwie zieht’s einen ja immer so mehr
in die gediegene Mitte, die bequeme Komfortzone des Ausgleichs, den spannungsarmen
Bereich konfliktbefreiten Wohlfühlens. Den Ersten beißen die Hunde, die
Letzten werden erschossen. Also schön im Zentrum bleiben. Meide die Ränder,
meide die Pole!
Das Leben jedoch, dessen allmächtige Mutter die Evolution ist, verfolgt
entschieden ein anderes Konzept. Es lebt vom Spannungsfeld zwischen den
Polen – denn aus ihnen bezieht die evolutionäre Dynamik ihre Energie.
Und so treffen wir sie überall an – die Antagonismen: Nordpol – Südpol,
Schwarz – Weiß, glühend heiß – saukalt, Merz – Woidke.
Über Herrn Merz lässt sich nicht viel mehr sagen, als das Bundesmutti
eine kluge Frau gewesen ist, was man schon daran erkennen konnte, dass
sie den Blackrocker beizeiten kalt stellte.
Leider nicht kalt genug. Wir kennen das aus den einschlägigen Gruselfilmen,
„Schloss der Vampire“ zum Beispiel. Da liegt Mr Barnabas Collins zweihundert
Jahre lang in seinem mit stählernen Ketten bewehrtem Sarge und dann kommt
so ein Schwachkopf, Willie Loomis nämlich, der ihn aus ungezügelter Neugier
heraus wieder befreit und damit handlungsfähig macht.
Bis Mr Collins schlussendlich wieder denaturiert wird, kostet es Opfer
über Opfer. Ströme von Blut fließen und es ist nur der ewig drögen Dramaturgie
Hollywoods zu danken, dass Reißzahn-Barnie am Ende doch noch seinen untoten
Ungeist aufgibt.
Leider klafft zwischen dem obligatorischen Happy End Hollywoods und der
Realität nur allzuoft eine gewaltige Kluft – und so können wie nicht sicher
sein, das Mr Fritze Merz nicht doch noch der Letzte ist, der sich an seinem
Ragnarök, oder wie die Juden es nennen würden: Armageddon erfreut.
Zumindestens in seinem steifen Kurs auf die Götterdämmerung ist dieser
Mann berechenbar. Wenn er auch sonst jeden Pinocchio dieser Welt deklassiert
– aber bezüglich seines unverhandelbaren Draufhaltens auf den Eisberg
ist er verlässlich.
Gerade sein idiotisches Dogma von der „Brandmauer“ gegenüber der AfD ist
ein Garant seines unfehlbaren Scheiterns. Das wäre an sich nicht so schlimm,
wenn es nicht zwangsläufig bedeuten würde, dass wir alle mit ihm zur Hölle
fahren.
Sich von infamen Parteien, die sich selbst auf Zwergengröße schrumpften,
erpressen zu lassen und an deren Longe brav durch die clowneske Manege
zu traben – ist das der gewiefte, eiskalte und mit allen Wassern gewaschene
Machtpolitiker und Blackrocker Merz?
Der brandenburgische Landesvater ist da aus einem anderen Holz geschnitzt.
Er hat’s begriffen. Er, der noch ein Sozialdemokrat alter Schule ist –
am Möglichen und am Machbaren orientiert und auf das Wohl seines Landes
bedacht – hat verstanden, dass man ein Drittel der Bevölkerung nicht auf
Dauer ausgrenzen kann. Zumal dieses Drittel unaufhaltsam zu wachsen scheint.
Es sei denn, man nimmt eine Autokratie und / oder einen Bürgerkrieg billigend
in Kauf.
Es ist unbestritten, dass sich in der AfD viele Elemente tummeln, denen
man nicht im Mondschein begegnen will.
Der große Rest aber – und das betrifft vor allem die Mehrheit ihrer Wähler
– protestiert mit der Hinwendung zur AfD gegen einen politischen Holzweg,
den die etablierten, ehemaligen Volksparteien mit fanatischer Konsequenz
beschritten haben und der die Bundesrepublik Deutschland unaufhaltsam
dem Kollaps entgegenstürzen lässt.
Das wird nicht nur vom Rest der Welt genau registriert. Wo saß Merz noch
gleich bei den Verhandlungen in Ägypten? Zweite Reihe? Neben einer Bananenpflanze?
Was einzig noch fehlte war, dass ihm irgend ein Dritte-Welt-Häuptling
seinen Kaftan in die Hände gedrückt und von Merz eine Garderobenmarke
verlangt hätte. Diese Demütigung vor aller Welt war hinsichtlich ihrer
verheerenden Aussage bezüglich des Stellenwertes, der Deutschland noch
zugemessen wird, an Deutlichkeit nicht mehr zu überbieten.
Diesen Bedeutungsverlust Deutschlands auf der internationalen Bühne hat
nun mittlerweile auch Lieschen Müller begriffen. … und wählt folgerichtig
AfD. Wem sollte sie denn sonst noch ihre Stimme anvertrauen? Zumal die
AfD mit dem feinen Instinkt, der schon einem gewissen hinkenden Doktor
aus dem Rheinland zu eigen war, Lieschen Müllers Sorgen und Gedanken mit
tabuloser und messerscharfer Präzision öffentlichkeitswirksam auf den
Punkt bringt.
Gelobt sei die Opposition, gelobt sei das Stigma des Schmuddelkinds außerhalb
des Sandkastens, mit dem keiner mehr spielen will und das deshalb gnaden-
und rücksichtslos auf jegliche Konvention scheißen kann. Denn dieses Schmuddelkind
muss sich keine Gedanken um seine zukünftige Koalitionsfähigkeit machen.
Ist der Ruf erst ruiniert ...
Merzens kläglicher Versuch, mit der Stadtbild-Debatte der AfD jetzt noch
das Wasser abzugraben, setzt der ganzen Lächerlichkeit nur noch die Krone
auf und wird ihn die letzten Sympathisanten kosten, die ihn noch für seine
unwürdige Kriecherei vor den pseudoroten und giftgrünen Gnomen lobten.
Zu spät, zu spät. Das hätte viele Jahre früher kommen müssen, ehe es die
anderen für sich entdeckten. Sarrazin hatte den Versuch unternommen, die
Dinge so darzustellen, wie sie von vielen einfachen Leuten wahrgenommen
werden und wurde dafür mit der Verbannung in den politischen Hades gestraft.
In vielen Punkten hat er jedoch recht behalten – weil 1 und 1 nun mal
2 ist – unabhängig von ideologischen Wahnvorstellungen und politischen
Tagträumereien, wie schon die Greise von Wandlitz bitter erfahren mussten.
Aber ein Herr Merz ist sich ja zu fein, aus der Geschichte zu lernen.
Die Wandlitzer Greisengarde bestand ja nur aus ein paar verblendeten kommunistischen
Idioten, nicht wahr? Weil er der große Merz ist, steht er außerhalb gesellschaftsdynamischer
Naturgesetze. Irrtum, Fritze, Irrtum!
Merz steht seinen geistigen Großvätern in Wandlitz um nichts nach. Diese
ließen im Übrigen die deutsch-schweizerische Koproduktion der Verfilmung
von Gottfried Kellers Novelle „Ursula“ im Jahre 1978 verbieten. Verbohrter
Schwachsinn von in ihrer Dummheit erstarrten, senilkonfusen Altintriganten
halt.
Dabei hätten sie so viel aus diesem kleinen Meisterwerk der Literatur
für sich lernen können, welches Egon Günther so kongenial auf Zelluloid
übertrug. Unter anderem die legendären Worte: „Starrsinn zahlt sich nicht
aus!“
Wir befürchten aber, dass Fritze das ebenfalls nicht kapieren würde, selbst
wenn er sich den Film zusammen mit seiner Charlotte mal zu Gemüte führt.
Dietmar Woidke aber hat das ganz genau begriffen. Er geht den einzigen
Weg, der ihn, seine Partei und dieses Land noch retten kann. Woidke ist
Diplomagraringenieur, kein Advokat. Aber er begriff mit feinem Instinkt,
was der Anwalt Merz in seinem ersten Semester Jus hätte lernen müssen:
„ENTSCHEIDEND IST IMMER DER EMPFÄNGERHORIZONT!“
Wenn es sich um den Empfängerhorizont von Millionen Wählern handelt, dann
bekommt das Adjektiv „entscheidend“ noch mal eine um ein Vielfaches potenzierte
Bedeutung.
Woidkes Rettungsboot ist gesunder Pragmatismus. Er weiß, dass es oftmals
nützlich ist die Botschaft vom Botschafter zu trennen.
Wenn ich ans andere
Ufer muss, weil ich am diesseitigen verhungere und nur dort drüben die
vollen Futtertröge warten und ich muss eine Brücke bauen, weil ich sonst
Krokodilfutter bin, ich allein kann das aber nicht und da ist weit und
breit nur der AfD-Mann, der helfen könnte, aber mit dem zusammen würde
es gehen – ja wie abgruntief bescheuert müsste ich denn sein aus ideologischen
Gründen diese überlebenswichtige Kooperation zu verweigern?
Bin ich drüben und satt gefressen, kann ich mich inhaltlich doch getrost
wieder mit ihm raufen.
Doch das kapierte die Greisengarde in Wandlitz zu spät oder gar nicht
und ihr in ideologischer Hinsicht ebenso verbohrter Abkömmling im Ungeiste,
Fritze Merz, rafft es auch nicht.
Von den anderen Spinnern im leckgeschlagenen, woken Narrenschiff wollen
wir an dieser Stelle gar nicht mehr reden. Die sind nur noch lästig aber
mittlerweile außerfhalb des Reichstages bedeutungslos. Wie die NPD unseligen
Angedenkens, oder die Republikaner und wie diese Plagen alle geheißen
haben mögen.
Die Grünen haben sich selbst in eine widernatürliche Kreatur der Nacht
verwandelt, als sie all ihren Gründungsideen auf offener Bühne eine fanatische
Absage erteilten und zu einer umweltschädigenden Kriegstreiberpartei geworden
sind.
Der bereits erwähnte Mr Barnabas Collins mag ja zu seinen Lebzeiten ein
respektabler und umgänglicher Gentleman gewesen sein. Als in seiner Existenz
grundlegend gewandelter Untoter jedoch wurde er zu einer reißenden und
saugefährlichen Bestie, mit der man sich nur noch einlässt, wenn man sich
selbst nicht mehr wert ist als ein Willie Loomis, ein erbarmungswürdiges
Faktotum ohne eigenes Rückgrat.
Dietmar Woidke, für den klar ist, dass das Gegenteil von „Gut“ nicht „Böse“
ist, sondern „Gutgemeint“, macht also das einzig Richtige. Er priorisiert
den Pragmatismus. Man wird sehen, dass der so oft beschworene Dammbruch
ausbleibt.
Im Gegenteil – er macht es möglich, dass auch Lieschen Müller selbst erfahren
kann, was ihre Heilsbringer wirklich zu leisten in der Lage sind, wenn
man sie denn lässt.
Werden sie den Lindwurm deutscher Bürokratie und Regulierungswut besiegen
können, wie einst ihre Lichtgestalt Siegfried den Drachen Fafnr? Diese
Prüfung müssen sie nämlich als allererste bestehen, weil sie sonst unweigerlich
mit dem zweiten Schritt im selben Sumpf, Schlick, Modder und Morast stecken
bleiben, in dem schon ihre Feinde, die etablierten Altparteien gerade
verenden wie seinerzeit die Urzeittiere in den Erdöllöchern der La Brea
Tar Pits bei Los Angeles.
Woidke weiß, was die Glocke geschlagen hat – spätestens, seit die traditionell
von der SPD gehaltene Landeshauptstadt Potsdam in die Hände der parteilosen
Inderin gefallen ist, welcher man ein große Nähe zu grünen Ideen nachsagt.
Potsdam verloren – das bedeutet in der Tat: Land unter!
Wer jetzt den Schuss nicht gehört hat, der ist verdammt. Woidke hat ihn
gehört. Merz nicht.
Er hat nie zu abstrahieren vermocht, was schon die Granden Willy Brandt,
Egon Bahr und Helmut Schmidt verinnerlicht hatten: Dass man nämlich mit
dem Feinde reden muss, egal unter welchen Bedingungen. Wandel durch Annäherung.
Akzeptanz und Verständnis für die Positionen des Gegners, ohne diese teilen
zu müssen. Rationale Kooperation, wo und wie diese eben möglich ist, über
jeden ideologischen und weltanschaulichen Graben hinweg.
Wer die Araber ohne Sinn und Verstand aus dem Lande jagt, den werden sie
eher nicht an ihrem weisen Sprichwort partizipieren lassen: „Die Hände,
die du schüttelst, können dir den Dolch nicht in den Rücken stoßen.“
Doch damit predigt man tauben Ohren. Merz ist im August 1914 hängengeblieben.
Er ist ein Relikt, ein Fossil eben dieser letzten Tage des Alten Europas.
Daher ist sein Schicksal besiegelt, getreu den prophetischen Worten des
Genossen Generalsekretärs Gorbatschow: "Ich glaube, Gefahren warten
nur auf jene, die nicht auf das Leben reagieren." … oder wie es später
griffig umgedeutet wurde: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“.
Leider, wie schon so oft gesagt, bestraft es uns alle mit! Weil wir ihn
nicht verhindert haben. Das Leben fragt nicht nach individueller Schuld.
Es rasiert diejenigen hinweg, die auf der falschen Seite geblieben sind.
Sie erinnern sich: Fluss, Ufer, hier Untergang, drüben Chance, dazwischen
Krokodile … Brücke.
Wir hätten Herrn Woidke gern statt dem abgewirtschafteten Pinocchio-Verschitt
als Bundeskanzler. Aber Vorsicht: Wen die Götter hassen, dem erfüllen
sie seine Begehren. Daher wünschen wir uns das nicht so laut. Denn gemäß
dem allgemein gültigen Peter-Prinzip könnte Woidke im Dschungel des Kanzleramts
und am Klüngel im Reichstag nur noch scheitern.
Also Herzog Dietmar, bleibe im Lande und ernähre dich und uns weiterhin
redlich. Hier bist du wer. Und du bist gut so, wie du bist: der letzte
Leuchtturm einstiger, vernünftiger, realistischer, großer, deutscher Sozialdemokratie. |