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HO, Konsum, REAL,
volle Fahrt achteraus!

Kotofeij K. Bajun. Havelsee. Wenn ein Bahnhofs-Kiosk das Psychogramm der Stadt liefert, deren Eingangsbereich er mit seinem Sortiment an Medien flankiert, dann fungiert ein „Supermarkt“ als Indikator für den Zustand einer Nationalökonomie – und das wahrscheinlich noch effektiver als die Dynamik auf dem Börsenparkett.

So gesehen war der heutige Besuch eines unserer Redakteure in der REAL-Kaufhalle im Beetzsee-Center der Stadt Brandenburg an der Havel überaus aufschlussreich.

Vor zehn Jahren gab es in der Domstadt an der Havel noch zwei REAL-Supermärkte. Die waren proper gefüllt und in den Gängen zwischen den Regalen kamen kaum zwei Kunden aneinander vorbei. Leere Regalfächer? Undenkbar! Die REAL-Mitarbeiter wuselten blitzartig zu den sich ausdünnenden Bereichen und füllten diese nach. Der Werbespruch „REAL – einmal hin – alles drin!“ war zwar ein wenig großspurig – konnte sich aber bis auf klitzekleine Ausnahmen durchaus an der Realität messen lassen.

Dann schloss der Markt im Osten der Chur- und Hauptstadt – ruthenische Kugeldisteln rollten über den zuwuchernden Parkplatz, der alsbald mit einem Zaun verschlossen und zu einem verlorenen Ort wurde.

Der REAL-Markt im Beetzsee-Center schien zunächst davon zu profitieren. Es gab einen Kunden-Service-Bereich, es gab vier Selbstbedienungskassen und ein Dutzend Kassen, die mit Kassiererinnen besetzt waren. Ab und an traf man Mitarbeiter zwischen den Gängen, die in aller Regel auch leidlich um die Kundschaft bemüht waren. Das Angebot war immer noch formidabel. Das Einzige, was einem schon damals massiv auf den Wecker ging, war das nervige, geistlose, Gehör und Seele quälende Gedudel, das pausenlos von der Decke schallte. Man kann den Marktbetreibern kaum einen Vorwurf machen – sie adressieren an den Querschnitt des „Geschmacks“und der „Kultur“ der ansässigen Bevölkerung – und diesbezüglich wäre es in der Tat verfehlt Vivaldi oder Albinoni zu erwarten.

Sei’s drum. Momentan hat der kultivierte Kunde sogar allen Grund, den Leuten von REAL für diese Kakophonie des Grauens dankbar zu sein. Sicher, die Verkaufspsychologen raten von Fenstern nach draußen oder Uhren im Marktbereich ab – nichts soll vom Einkauf ablenken.

Dieser brutale akustische Angriff auf jegliche Kulturleistung der Menschheit zwingt den kultivierten Zeitgenossen jedoch seinen Einkauf generalstabsmäßig zu planen, nur um sich diesem Terror nicht eine Sekunde länger aussetzen zu müssen als das unbedingt nötig ist.

Mit einem weiteren Entgegenkommen unterstützt REAL seine Kunden in dem Ansinnen, die kostbare Lebenszeit nur im unabdingbaren Maße auf den Besuch dieses Marktes dranzugeben: Die Regale, in deren Fächern gewaltige Löcher klaffen, stehen nunmehr soweit auseinandergerückt, dass sich eine Möglichkeit eröffnet die Snooker-Grandtour in diesen Markt zu verlegen. Ein Victorian Elephant plus ausreichend Freiheit fürs Queue findet zwischen den Regalreihen spielend Platz.

Vor einiger Zeit konnte die Redaktion des Landboten im Brandenburger REAL einen mittelgroßen Tresor erwerben, der sogar etwas taugt. Das war einmal. Diesmal suchte unser Redakteur nach Rasierklingen der Marke „ Wilkinson Quattro Titanium Precision 4“. Der entsprechende Handrasierer hing in seinem Fach – Ersatzklingen? Fehlanzeige. Statt dessen gähnende Löcher in den Regalfächern – ein Anblick, wofür der Marktleiter den Mitarbeitern früher Beine gemacht hätte. Aber wahrscheinlich könnten die gar nichts machten – die Lagerräume werden wohl ebenfalls leer sein.

Birkensaft? Auch das ist Verkaufsgeschichte. Birkensaft kommt aus Russland und REAL interessiert nicht die Wünsche seiner Kundschaft sondern die Schleimspur der katastrophalsten und elendesten Bundesregierung, welche Deutschland jemals zu ertragen hatte: Russische Produkte wurden aus dem Sortiment verbannt. Ist das ein besonders hehrer Zug der edlen REAL-Manager, die sich mit den ukrainisch-faschistischen Putschisten vom Maidan solidarisieren, damit deutsche Panzer die Abdrücke ihrer Ketten wieder in die Erde des slawischen Ostens prägen können?

Ach i wo! Soweit reicht’s bei den kuschenden Krämern nicht. Es ist nur eine besondere politische und kaufmännische Idiotie, die erklären hilft, warum in jüngster Vergangenheit ein REAL-Markt nach dem anderen von der Bildfläche verschwindet. Selbst die Bolschewisten waren schlauer, die seinerzeit bereits begriffen hatten, dass man für harte Valuta auch die eigene Großmutter zu verkaufen bereit sein muss, wenn man am Markt überleben will. Zudem sollten sich Händler nicht allzu weit auf das geopolitische Parkett vorwagen. Schon die VOC scheiterte an solchen Ambitionen grandios und völlig zu Recht.

Im Übrigen kann es mit der Ehrenhaftigkeit dieser Manager nicht sehr weit her sein! Immerhin prangte der Schriftzug „China“ noch über mehreren Regalen. Scheißegal, was die Chinesen mit den Uiguren anstellen? Scheißegal, dass die Chinesen seinerzeit völkerrechtswidrig Tibet überfallen, annektiert und ihrem Reiche einverleibt haben? Scheißegal, dass die Chinesen die Insel Formosa bedrohen und den Nationalchinesen in Taiwan permanent das Messer an die Kehle setzen? Scheißegal, wie die Chinesen mit ihren Regimekritikern umgehen? Natürlich ist es den REAL-Managern scheißegal, denn sie liegen ja an der Regierungsleine ihrer grünen Herrchen. Da wird nur gekläfft, wie die das vorgeben und mit dem Schwanz gewedelt, wenn die das wollen.

Ein weiteres Beispiel gefällig? Was machen dann die Ami-Produkte noch im Verkaufsbereich? Jedes Kind weiß, welche Nation von Kriegsverbrechern Vietnam, Afghanistan, den Irak, Libyen, Serbien … und und und überfallen hat, dort Chaos, Mord und Totschlag angerichtet hat – unbeschadet der Tatsache, dass es in keinem Falle irgendein blitzsauberes, von Menschenrechten durchdrungenes Gemeinwesen betraf, auf das sie ihre Keulen niedergingen ließen. … wenn man mal vom Persien Mossadeghs absieht.

Diese Halunken morden sich für Öl und ihre anderen globalen Hegemonialinteressen rund um den Globus – aber das tangiert die REAL-Manager nicht im Mindesten. Das macht ihre unsagbare und widerliche Verlogenheit aus.

Es ist alles sehr unerquicklich. Der Markt ist öde geworden. Man fühlt sich nicht mehr wohl: Die progressiven Selbstbedienungskassen sind verschwunden, der Service-Punkt auch, die Kassenzone schrumpfte proportional zu dem dahingeschmolzenen Angebot. Dahin, dahin.

Was einzig geblieben ist, das ist die grausame Beschallung, die bereits den Tatbestand der Körperverletzung erfüllt. Noch immer wollen wir uns darüber nicht echauffieren oder gar beschweren – denn noch immer erfüllt dieses elende Geleier von viertklassigen Geplärr-Statisten seine Funktion, nämlich zu verhindern, dass wir unsere wertvolle Zeit in diesen Mauern vertrödeln.

Was nun aber zur endgültigen Blasphemie degeneriert ist, das ist dieser aberwitzige Werbeslogan: „REAL – einmal hin – alles drin!“ Das ist nun wirklich unverfroren. Werbungen dürfen ruhig mal ein wenig flunkern – aber das ist eine knallharte Lüge! Das ist vorsätzliche Verbrauchertäuschung.

Eingangs nannten wir diesen Einzelhändler die „REAL-Kaufhalle“ in Anspielung auf die DDR – HO – und Konsumkaufhallen. Deren Sortiment nähert sich das Warenangebot und der Auftritt des REAL-Marktes mit jedem Tag, den diese Regierung dem deutschen Volke über den Heutigen hinaus zumutet, mehr an.

Diesbezüglich steigen in uns die Erinnerungen an das selige Brandenburger Kaufhaus Conitzer, 1938 „arisiertes“ – also gestohlenes – Kaufhaus Fauser herauf, welches nach dem Kriege der uns noch persönlich bekannte Architekt Hans-Jürgen Kluge als Kaufhaus Magnet wieder aufbaute. Dieses Warenhaus wurde vom Volksmund ab den Achtzigern des 20. Jahrhunderts in „Kaufhaus Kosmos – ein Griff ins Leere!“ umgetauft. Das wäre doch auch ein guter neuer Name für die Supermarkt-Kette REAL … solange es die noch geben sollte. ... nur so eine Anregung des Preußischen Landboten.

Während unser Redakteur verzweifelt nach seinen Rasierklingen fahndete, wurde er Ohrenzeuge eines Gesprächs zwischen zwei Eheleuten, die – neben ihm stehend – vergeblich nach einem anderen Artikel Ausschau hielten:

„Nu hat uns die Zone bald wieder. Inne Zeitungen steht detselbe, man ooch die Eule brauchste schon nich mehr koofen. Is rausjeschmiss’nes Jeld! Die heulen ooch schon mit die Wölfe. Und die hier! Wirste sehen, balle stehn die Leute widder an, ohne det se wissen, watt es überhaupt jibt – so wie damals! Man det war doch schon mit den Klopapier so’n Skandal. Det wird ja immer räudiger hier. Na jut, Klopapier ham’se widder. Aber sonst? Det lohnt nich mehr!“

Die Frau: „Nu kieke mal hier: Die Paprikas sind doch von REWE. Steht doch druff! Hier! Wie kommt’n det hierher? Na die wer’n wohl nix eignes mehr haben. Aber is ejal. Man, jetze müssen wa noch nach Wusten tingeln. In’t Kaufland ham’set bestimmt.“

„Biste varrückt jewor’n? Ick mach doch jetze nich raus nach Wust. Alleene für die Potsdamer brauchen wa ne Stunde. Da sind wa ja aus Rat’now eher widder heeeme.“

„Aber der Sprit! Überlech doch mal! Nee komm! Mann, so’n Sauladen!“

Soweit die wortgetreue Wiedergabe dieses Gesprächs. Wie es sich für echte Brandenburger und solche, die zweifelsohne aus Thüringen zugezogen sind, gehört, rau und direkt. Darüber hinaus beachtlich zutreffend. Vor der Drehtür kamen unser Redakteur und der Mann, der sich als Lieferfahrer für einen Discounter vorstellte, noch einmal ins Gespräch. „Die können vielleicht jar nich so ville dafür“, meinte er mit einem rückwärtigen Kopfnicken in Richtung der REAL-Kaufhalle. „Ick weeß, wie det mit uns’re Lieferketten aussieht. Die grünen Scheißer müssen ja den Waffenschiebern Milliarden uff unsere Kosten in Arsch schieben, wie se’t bei Corona schon mit die Scheiß-Pharamafritzen jemacht ha’m. For nüscht und wieder nüscht. Det Russenöl abdrehen – man fracht sich, ob die völlig irre jewor’n sind. Und wir müssen et widder ausbaden. Ruinieren allet. Zum Kotzen is det. Ick wähl bloß noch die Blauen – ick weeß – is ooch keene Lösung, aber watt soll man denn noch machen!“

Das alles ist erschütternd. Und wir begreifen, dass sich die REAL-Märkte in die Reihen der Opfer eingliedern können. Wir würden sogar so etwas wie Mitgefühl empfinden, wenn REAL auf seinen mittlerweile unverschämten Werbeslogan und den verlogenen Russlandboykott verzichten würde. Denn noch lassen wir uns von bigotten Kärmerseelen nicht vorschreiben, mit welchem Wodka wir uns den Absturz Deutschlands erträglich saufen.

28. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
18.12.2022