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Jacob Paul Freiherr von Gundling

zeitgenössisches Porträt von Gundling

*19. August 1673 in Hersbruck/ Franken

+11. April 1731 Potsdam /Preußen

  • seit 1705 ordentlicher Professor für Recht, Geschichte und Heraldik an der Berliner Ritterakademie
  • seit 1718 Präsident der Preußischen Akademie der Wissenschaften (Nachfolger von Leibniz)
  • Ökonom und Volkswirtschaftler, Kartograph
  • geheimer und Hofrat, Kammerherr des Königs Friedrich Wilhelm I. von Preußen
  • Oberzeremonienmeister
  • Erhebung in den erblichen freiherrlichen Stand 1724
  • Mitglied der Tabagie, Gazettenreferent

 

Jakob Paul Freiherr von Gundling war wohl die schillerndste Gestalt am Hofe des Soldatenkönigs. Er stammte aus dem Städtchen Hersbruck, östlich von Nürnberg. Sein Bruder bekleidete eine ordentliche Professur an der Universität Halle an der Saale.

Ein hervorragender Wissenschaftler, aufgeklärt und von durchdringendem Geist, hatte er dennoch nicht die Fähigkeit, seine Persönlichkeit zu verbiegen oder gar zu verleugnen.

Im Rahmen der Entschuldung und des Umbaus des maroden preußischen Staatsetats verlor auch Gundling im Jahre 1713, ein Jahr nach Machtantritt Friedrich Wilhelms I. sein Amt und wurde brotlos. Seine sehr guten Arbeiten zur Sanierung des Staatshaushaltes jedoch gelangten in die Hände des Königs. Diesem schien Gundling der rechte Mann und Mitstreiter für diese vordringliche Mammutaufgabe zu sein und er holte Gundling aus den Berliner Kneipen ins Schloß.

Die Misere Gundlings bestand darin, daß er mit seinen Ideen die unmittelbaren Interessensphären der Mächtigen im Staate Preußen schnitt und zu beschneiden drohte. Das schuf ihm mächtige Feinde. Genau in diesem Punkte arbeitete er jedoch dem König zu, der sich wiederum weiterhin auf die Junker und Offiziere stützen mußte, da sie seine Machtbasis bildeten. Der König konnte sich also nicht allzu offen vor Gundling stellen und mußte es wenigstens teilweise zulassen, daß die Geschädigten ihr Mütchen an dem Urheber ihres Grolls kühlten. Den König selbst, der ja Gundlings Handlungen protegierte, konnten sie aus begreiflichen Gründen nicht maßnehmen. So fungierte Gundling an exponierter Stelle als Watschenmann Ihrer Majestät.

An Wissen und Weitsicht überragte er die übrigen Höflinge um Größenordnungen. Seine mangelnde Anpassungsfähigkeit jedoch ließ ihn zum ersten bekannten, prominenten Mobbing-Opfer der preußischen Geschichte werden.

Dazu kommt, daß die Geschichtsschreibung von Gundling das Bild eines intriganten Höflings zeichnet, der sich seiner Machtstellung und seines Einflusses beim König durchaus bewußt war und dieses sicher auch in seinem Sinne umzusetzen verstand. So glitt er nach und nach in einen Stand zwischen einem ernstzunehmenden Höfling und einem Hofnarren. Letzteres wurde dann auch durch die Verleihung des Titels "Lustiger Rat" (= Hofnarr) zementiert. Von nun an ging es mit Gundling rapide bergab.

Portät von Gundling mit seiner Frau Anne de Larray, Gemälde im Besitz der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten

Dem ständigen Druck am preußischen Hof hatte er nichts mehr entgegenzusetzen.

Gundling versuchte sich in den Alkohol zu flüchten. Vergebens! Seine Umgebung reagierte unbarmherzig: Je hilfloser ihn der Alkohol machte, desto brutaler wurden die Attacken der übrigen Höflinge.

Zweimal versuchte sich Gundling den ausufernden Schikanen durch Flucht zu entziehen. 1716 täuschte er einen Selbstmord durch Ertränken vor und entwich aus der Residenz. Dem König gelang es jedoch, Gundling zur Rückkehr zu bewegen, indem er ihm Straffreiheit (seine Flucht wurde in dem militärisch orientierten Preußen als Desertation angelastet) in Aussicht stellte und darüber hinaus das Versprechen gab, die Peinigungen würden ein Ende finden.

Ein weiteres Mal wurde Gundling durch die Männer des Fürsten Leopold von Anhalt - Dessau eingefangen und nach Potsdam zurückgebracht.

Natürlich war Gundlings Charakter nicht fehlerfrei. Wie schon oben erwähnt, war er Kabalen und Intrigen durchaus zugetan - also ein zutiefst politischer Mensch. Ihm fehlte jedoch die Gerissenheit und Skrupellosigkeit eines Grumbkow, die Derbheit und das Soldatische eines Haacke oder Forcade. Eben das Verletzliche seines Naturells machte ihn angreifbar und lieferte ihn seinen Gegnern aus.

Man verwickelte ihn, um ihn zu demütigen, in unwürdige Konflikte mit anderen Hofnarren. So zum Beispiel mit dem unsäglichen David Faßmann, oder einem gewissen Ritter von Hasenfuß, der in der Nähe des heutigen Genshagen ein kleines Rittergut besaß.

Der König, der zu dem zum Säufer verkommenen Gundling ein durchaus ambivalentes Verhältnis hatte, lancierte bzw. veranlaßte wirklich beleidigende und kränkende Hetzschriften gegen seinen Kammerherren, von dessen Gesellschaft und klugem Kopf er sich andererseits um keinen Preis getrennt hätte. War doch Gundling der einzige, der ihm in lichten Stunden die Dinge beim Namen nannte und nicht schönredete, der auf die Probleme des Landes deutlich hinwies und dessen kristallklarer Verstand zu durchaus originellen Lösungsansätzen befähigt war.

Das tragikomische Leben des Freiherren von Gundling wurde damit beschlossen, daß der König den Leichnam seines Hofrates und -narren in ein Weinfaß einsargen ließ, welches er dem Protest des Klerus zum Trotz auf einer Lafette von Schweinen gezogen nach Bornstedt, nördlich von Potsdam ziehen ließ, um Gundling daselbst in diesem Weinfaß zu beerdigen. Als ob dies noch alles nicht genug sei, ließ er auf dem ungewöhnlichen Totenschrein einen Nachruf anbringen, den der obengenannte unsägliche David Faßmann, zu Lebzeiten Konkurrent und Feind Gundlings, jetzt dessen Nachfolger auf dem Posten des Ersten Hofnarren, geschrieben hatte. Er lautete:

Hier liegt in seiner Haut
halb Schwein, halb Mensch,
ein Wunderding.
In seiner Jugend klug,
in seinem Alter toll,
des Morgens voller Witz,
des Abends toll und voll.
Bereits ruft Bacchus laut:
Das teure Kind ist
Gundeling.

Wenn auch kaum je etwas gescheites aus dem Munde Faßmanns kam - mit dieser Charakteristik schien er den Nagel auf den Kopf getroffen zu haben.

Inwiefern die massive Deformation der Persönlichkeit Gundlings seinem angeborenen Wesen einerseits, und der pausenlosen Quälerei durch seine Mitmenschen und seinen unbeholfenen Reaktionen andererseits geschuldet war, läßt sich heute kaum mehr feststellen. Fakt ist jedoch, daß hier ein hervorragender Mensch von bornierter Dummheit und schrankenlosem Eigennutz systematisch kaputt gemacht wurde. Das Leben Gundlings verdeutlicht dem Kenner der Materie nur allzusehr, wie dünn die Luft an den Schalthebeln der Macht ist und wie gefährlich die ungeschützte Intelligenz unter der Gewaltherrschaft der Dummheit lebt.

Werke von Gundling:

  • Atlas von Brandenburg 1724
  • geographische Beschreibung des Herzogtums Magdeburg 1730
  • Geschichte der Churmark Brandenburg 1754

Werke über Gundling:

  • "Der König und sein Narr" von Martin Stade, erschienen bei Buchverlag Der Morgen Berlin 1975
  • die gleichnamige Verfilmung durch den Sender Freies Berlin mit Wolfgang Kieling als Gundling und Götz George als Friedrich Wilhelm I.
  • "Der Arme Gundling" von Gerhard Hartmann erschienen im Selbstverlag ISBN 3-89811-693-X

Wolfgang Kieling (links) als Gundling mit Götz George als König Friedrich Wilhelm I. von Preußen aus dem Film "Der König und sein Narr"

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© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2003