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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod
von Herrn Bastian Sick

B. St. Fjøllfross
Es gibt sie also noch – die Offenbarungen!
Nein, nicht dieser unsägliche Albtraum jenes Johannes, der auf seinem Patmos-Urlaub irgend etwas Unrechtes gegessen haben wird.
Wir sprechen von einem Büchlein, dessen Autor zur Verteidigung eines der kostbarsten Kulturgüter antritt, welches die Deutschen von Ihren Eltern erben durften: der Muttersprache.
„Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ heißt der kleine Edelstein und ist bei Kiepenheuer und Witsch erschienen. Schon die Verleger sprechen für die Güte des Werkes.
Nun also…

Da kommt ein Gralsritter zum Schutze der furchtbar gebeutelten deutschen Sprache einhergaloppiert, mit eingelegter spitzer Lanze, alles niederreitend, was sich ihm stotternd und plappernd in den Weg stellt. Und sie fallen um, reihenweise, die da täglich und in wahrer Lumpenmanier die Jungfer Sprache vergewaltigen und zurichten, daß es Gott erbarm. Er zerrt sie aus ihren Löchern und Verschlägen. Gnadenlos schleift er sie an den fettigen Haaren ins grelle Licht und prügelt auf sie ein, daß es einem warm wird ums Herz. Nicht daß er besonders grimmig wäre. Nein, mit einem feinen Lächeln auf dem Gesicht tjostiert Herr Sick gegen die Sprachverhunzer. Dabei avanciert er nicht einmal so sehr gegen Minchen Müller, oder Sandy und Lasse, wie sie heute heißen. Die werden ungerührt ihren Jargon weiterstöhnen, wie das ihre Altvorderen schon seit Jahrhunderten taten.
Denen Professionellen aber, denen Redakteurs und verkehrten Journalisten, die sich vom Dummsprech infizieren lassen, diesem Volk klopft Herr Sick weidlich das Fell. Denn das sind die von Gott und ihrem Berufsstand befohlenen Gardisten, denen Schutz und Pflege der deutschen Muttersprache eine heilige Pflicht zu sein hat. Sie haben den Ton vorzugeben und ihn nicht um schnöden Mammons Willen aus der Gosse aufzupicken um ihn dann unkritisch und undifferenziert wiederzukäuen. Wir Landboten sind nur armselige Bauern in diesem Spiel – aber wir wissen uns auf der richtigen Seite! Dennoch, ob unsere Gazette dem geschulten Auge eines wahren Meisters der Muttersprache stets würde standhalten können, das ist fraglich.
Soviel zur Sonnenseite der Angelegenheit. Was uns bedrückt ist, daß der Zwiebelfisch – obschon im großen Gebäude des Spiegel mit einer Festanstellung geadelt – doch eher ein marginales Dasein fristet. Mundpropaganda trug seinen Namen erst in unsere Ohren. Spiegel Online… Es macht Mühe, seine Kolumnen zu finden. Für die älteren Artikel muß man blechen. Da steigen viele aus.
So setzen gute und scharfe Schwerter Rost an. Es ist geradezu ein Trost, daß einige der brillanten Ausführungen nun zu einem Buche gebunden wurden, welches sich noch dazu einer beachtlichen Resonanz erfreuen durfte. Wir vernehmen mit Freude, daß dieses Buch schon eine Fortsetzung gefunden hat. Der Autor dürfte kaum Gelegenheit haben, über eine zu geringe Nachfrage seiner Werke Klage zu führen.
Das wird die Linien der Verteidiger der gequälten deutschen Muttersprache wieder etwas stärken – hoffen wir.
Das uns am Bedeutsamsten Scheinende aber ist, daß Herr Sick den Leser zum Nachdenken über den Gebrauch der Sprache zurückruft. Viele Dinge, die sich aus Bequemlichkeit, Gedankenlosigkeit oder dummem Imponiergehabe eingeschliffen haben, werden nicht mehr hinterfragt, obgleich sie teilweise völlig unsinnig sind.
Die deutsche Sprache, wir betonten es in einem anderen Artikel des Landboten* bereits, ist mit einer riesigen und sehr fein abgestimmten Silbermannorgel zu vergleichen. Wird dieses Instrument nicht nach der Kunst traktiert, so lassen sich bald greuliche Dissonanzen vernehmen.
In jedem Falle aber verrät der Sprachgebrauch sehr viel über das Individuum. Sind die Leute zwar in der Öffentlichkeit oft peinlich bemüht, ihre Identität sowohl, als auch körperliche Gebrechen zu verbergen, so ist es vielen von ihnen um ihr Psychogramm weit weniger zu tun. Sie posaunen es hinaus und exhibitionieren den meist unansehnlichen Geist in wahrhaft erschreckender Weise.
Gegen Runzeln und Fältchen helfen manchmal Salben und Pasten. Da wird drauflos gespachtelt und getuscht, was das Zeug hält. Prothesen ersetzen fehlende Gliedmaßen. Das immaterielle Erscheinungsbild aber bekümmert kaum jemanden. Hier würde Herrn Sicks kleines Büchlein schon gute Kosmetik liefern.
Es ist pure Dummheit, enorme Summen auf den Erhalt der höchst flüchtigen physischen Schönheit zu verschwenden, deren Verfall sich doch nicht aufhalten läßt. Ganz im Gegenteil – irgendwann wird es peinlich.
Das Kapital im Kopf aber bringt Zinsen. Der Geist vermag mit zunehmendem Alter schöner, geschmeidiger, eleganter zu werden, wenn man ihn denn frisch und rege erhält und kein organisches Leiden die Suppe versalzt.
Ein wesentliches Vehikel des Geistes ist und bleibt nun mal eine sauber gebrauchte und, auf den Wortschatz bezogen, umfangreiche Sprache. Sie ist das Transportmittel der Gedanken. Wo dieses dahinrumpelt wie ein maroder Schinderkarren, da sind blühende Geistesleistungen selten. Das armselige Gestöhne und Geächze der Hilflosen, deren rudimentärer Sprachschatz eine vernünftige Artikulation mit Erfolg verhindert, gemahnt zuweilen an ein unwürdiges Trauerspiel. Die ungezählten „Äh’s“ sogar bekannter Moderatoren und Reporter treiben uns Tränen in die Augen.
Herr Sick bietet einen jedermann zugänglichen Weg, diesem peinlichen Dilemma zu entfliehen. Nur nutzen muß ihn ein Jeder selbst.

*siehe die drei Sprach-Artikel des 1.Volumens:

Sprache 1
Sprache 2 Sprache in der Wissenschaft
Sprache 3 Über die geistlosen Kunstwörter

 

B 3. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2006