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Die Botschaft der alten Bilder

Michael L. Hübner. Marienburg / Westpreußen. Träge wälzt Väterchen Nogat seine steingrauen Fluten der Ostsee zu. Das tat er schon, als die Ritter des Deutschen Ordens dem Rufe Herzog Konrads von Masowien ins Pruzzenland folgten, um die pruzzischen und baltischen Heiden, typische Vertreter des östlichen Untermenschentums, in die christliche Höhe zu ziehen, ihnen das Fell zu gerben und das, was von ihnen übrigblieb, als Arbeitsvieh für die Herrenmenschen aus dem Westen zu verwerten.

Ab sofort war Deutsch die allgemeine Verkehrssprache in Preußen.

Im Hotelzimmer über dem Nogat hängen zwei colorierte und nachträglich sehr sorgfältig aufgearbeitete Fotografien vom Marktplatz des Städtchens Marienburg/Westpreußen aus der deutschen Zeit. Was vor wenigen Jahren noch undenkbar war – nunmehr gehen die Polen sehr entspannt mit der deutschen Geschichte ihrer „wiedergewonnenen“ westlichen Gebiete um.

Die Bilder zeigen eine sehr saubere, aufgeräumte und beinahe idyllische Kleinstadt, deren ganzer Bürgerstolz just in diesem pittoresken, beinahe biedermeierlich-spießigen Postkartenmotiv zu liegen scheint. Man liest unschwer die Reklameschilder vom Modehaus G. Hopp und vom Geschäft Fritz Starck. Gegenüber einer Mercedes-Dependance steht ein Automobil mit dem amtlichen Kennzeichen WH 334 310.


Die Mahung für jeden deutschen Hotelgast: Das passiert, wenn man größenwahnsinnig ist und den Hals nicht voll genug bekommt: Dann wechselt mal ganz schnell die Landessprache!

WH? Das ist ein Dienstwagen der Deutschen Wehrmacht. Wem es entfallen sein sollte: Das war der Verein, welcher die Rote Arbeiter- und Bauernarmee ein paar Jahre nach dem Entstehen dieses Lichtbildes zu einem Feindschaftsspiel einlud, das zu einem klassischen 0:1 für Deutschland führte. Beim Rückspiel zerwichste der russisch dominierte Gegner die Postkartenidylle gründlich und mit Parforce.

Man könnte vermuten, dass die Russen etwas angefressen waren, weil sie langsam aber sicher den Kanal voll davon hatten, von Leuten, die sich einiger technischer und finanzieller Überlegenheit rühmen durften, wie Dreck behandelt zu werden.

Nun prangen polnische Ladenschilder über den Einkaufsmöglichkeiten Marienburgs, das nun auch als Małbork in den Karten und Atlanten verzeichnet steht. Die Geschicke dieses Städtchens werden nicht mehr von Berlin aus, sondern von Warschau geleitet.

Den Polen sei’s gegönnt. Immerhin zählten sie zu denjenigen, welche den härtesten Blutzoll für die teutonische Hybris zu tragen hatten.

Bis vor wenigen Jahren noch zog die originale Reichsstraße 1 am Hochschloss des Deutschen Ordens vorbei. Was sollten die Polen auch in die Verkehrswege der „wiedergewonnenen Gebiete“ investieren, wenn nicht klar war, ob sie diese auch werden behalten dürfen?

Dann wurden in den Neunzigern des 20. Jahrhunderts die 2+4-Verträge ratifiziert, mit ihnen die Oder-Neiße-Linie in Beton gegossen und Polen begann, seine Brüsseler Subsidien klug in seine Infrastruktur zu stecken.

Das von Joachim Fernau diffamierte Weltreich der Lehmhütten, verlacht und verachtet vom deutschen Herrenmenschentum als Königreich der Diebe, ist mittlerweile dabei, seine ewigen Peiniger so rasant zu überholen, wie es gerade auf der Trasse der alten Reichsstraße 1, der heutigen 22, die gottlosen polnischen Raser mit ihren Boliden mit unserem deutschen Redaktions-SUV tun. 90 km/h erlaubt – 160 km/h sind normal und angesagt. Da holpern keine grackeligen Polski-Fiats und nur noch von Rost zusammengehaltenen alten Warszawas über die kopfsteinpflasterbewehrten Fernstraßen des Reiches.

Audi Q7 und BMW M5 donnern vorbei, einen Kondensstreifen hinter sich her ziehend. Sowohl die eigenen Blinker als auch die Straßenschilder am Wegesrand, die ein Überholverbot anordnen, werden von den Kamikazepiloten dieser zivilen Kampfpanzer bestenfalls als Dekoration wahrgenommen, ohne ihnen einen irgendwie gearteten, funktionellen Wert beizumessen.

Auch diese Bilder sprechen Bände – ebenso wie die beiden Photographien Alt-Marienburgs im Hotelzimmer über dem Nogat.

Der Preußische Landbote, der sich mit diesem Beitrag aus seiner heimlichen Hauptstadt, aus dem Schatten des Hochschlosses des Deutschen Ordens meldet, empfiehlt dem deutschen Kabinett einen Besuch mit offenen Augen, einem wachen Verstand und einem Geschichtsbuch unter dem Arm, das nicht unbedingt vom nationalsozialistischen Lehrerbund redigiert wurde.

In manchen Bildern aus der Vergangenheit verbergen sich nämlich deutliche Hinweise auf die Zukunft.

Die Kommunisten lehrten, dass sich Geschichte spiralförmig wiederhole. Wenn das so ist, dann riskieren die deutschen Falken gerade, dass die Erinnerung an ihr einstiges Wirken in wenigen Jahren auch nur noch bestenfalls durch ein paar Fotos dokumentiert wird. Das große Karthago führte drei Kriege ...


Aus die Maus! ... und du bist raus!

30. Volumen
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01.05.2025