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Suppen, Drachen, große Ohren
Suppenschelm & Sagenschmied ließen Meßdunker Kirchlein aufleben

Suppenschelm (Jens Wiedecke, links oben) und Sagenschmied (Heiko Hesse, Bildmitte) beim Erzählen ihrer Geschichten in der ehemaligen Kirche zu Meßdunk bei Rekahn

Michael L. Hübner
Suppenschelm & Sagenschmied hatten gerufen – und das entwidmete Kirchlein von Meßdunk platzte am Abend des 16.8. aus allen Nähten. Fünf Dutzend Gäste lauschten den Sagen und Geschichten aus Havelland und Zauche, die der Sagenschmied (Heiko Hesse) aus einer Gartenfachzeitschrift des vorletzten Jahrhunderts entnommen hatte, während sie an einer u-förmigen Tafel speisten, was Tisch und Küche hergaben. Man war zu Besuch bei unseren Vorfahren des brandenburgischen Mittelalters. Denn was der Suppenschelm (Jens Wiedecke) da kochte, das waren Originalrezepturen dieser fernen Epoche: Keine Kartoffel, kein Mais, kein Rübenzucker. All das wurde erst Jahrhunderte später in die Mark importiert. Stattdessen dünne Gemüsesuppe, Fleischsuppe und mit Honig gesüßter Quark. Man aß von Holzlöffeln. Wären nun auch noch grobe Holzschüsseln aufgetischt worden, die Illusion hätte nichts mehr zu wünschen übrig gelassen. Hesse und Wiedecke trugen die Mode des 12. Jahrhunderts. Familie Pohland aus Damsdorf stand den beiden Akteuren in nichts nach. Ganz Edelfräulein assistierten die beiden Töchter Mario Pohlands gar dem Sagenschmied, als dieser eine seiner märchenhaften Begebenheiten von der Orgelempore herab verkündete. Da ging es um gewitzte Bauern und Schuster, spökenkiekerische Bäuerinnen, Land und Leute bedrohende Riesen und Drachen und immer wieder um die – Heimat. All die havelländischen und Zauchedörfchen mit ihren Bewohnern, die oft nicht genug hatten das tägliche Leben zu fristen und die nach getaner, harter Arbeit abends, nach Sonnenuntergang beisammen saßen und sich mangels Fernseher und Playstation gegenseitig Geschichten erzählten. Wie war das noch, als der Teufel zum letzten Mal in Trechwitz gesehen wurde? Weißt du, wie das Große Ohr bei Saaringen entstand und das Deetzer Knie? Was für ein Schenkelklopfer, wenn von der Bauersfrau erzählt wurde, die in jedem Missgeschick ein Werk des Teufels sah, bis ihr ein cleverer Schäfersbursche mit Schwefel und Getöse das Töchterlein, die heimliche Geliebte, aus dem Hause holte. Nixen lockten einen anderen Schäfer bei Schwina in die Tiefe des Wassers, aus der er in letzter Sekunde gerettet wurde, nachdem die verlassene Schafherde herzzerreißend zu blöken begonnen hatte.
Ganz anders die beiden medievalen Gaukler: Über drei Stunden hinweg blieben sie ihrer Hörergemeinde treu, kochten, lasen vor, ließen in den Pausen ganz der Tradition der Alten folgend reichlich Zeit für Gespräche mit den Tischnachbarn. Hatte der Sagenschmied geendet, erklangen (leider etwas zu verhalten) Weisen aus dem Mittelalter: Estampidas, Lieder, Saltarellos…
Hoch ging es her in dem knapp einhundertfünfzig Jahre alten Backsteinkirchlein. Die letzten Geschichten wurden vor einem prasselnden Lagerfeuer im Schatten des ehemaligen Gotteshauses erzählt. Dessen Pächter, den Verein Just Kultur unter Joachim Köhler, hat’s gefreut. Mehr noch als die klingende Kasse war es wohl der äußerst lebendige Abend am Rande eines abgeschiedenen Fleckchens im Planetal, der die Herzen höher schlagen ließ. Gehrke Pachali, der Altpfarrer aus dem nahen Rekahn, zählte zu den Besuchern und auch ihm war die Freude darüber deutlich anzumerken, dass einem ansonsten aufgegebenen Hause Gottes mit Lachen und Jauchzen ein neues Leben geschenkt wurde.

 
B
6. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2008