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Filmpremiere im BT
„F wie Freiheit“ geht an den Start

Michael L. Hübner
Eine Filmpremiere in Brandenburg an der Havel ist ein Ereignis mit Seltenheitswert. Möglicherweise bescherte auch dieser Umstand in Zusammenhang mit dem freien Eintritt dem Brandenburger Theater am 30.9. ein volles Haus. Eine Projektgruppe von Schülern des von-Saldern-Gymnasiums, der museumspädagogischen Abteilung des Stadtmuseums im Frey-Haus und der Schweizer Regisseur Roland Zumbühl widmeten sich dem Leben der fast in Vergessenheit geratenen Brandenburger Lyrikerin Edeltraud Eckert. Das jedenfalls war der Anspruch des Streifens. Gleichzeitig wollte der Film die frühe DDR-Zeit beleuchten. Immerhin ist bedauerlicherweise zu verzeichnen, dass viele deutsche Jugendliche und Schüler weder mit den Begriffen „DDR“ noch „Kalter Krieg“ etwas anzufangen wissen.
Betrachtet man den Film „F wie Freiheit“ als Gesamtwerk, so ist zunächst die Einmaligkeit und Kühnheit in der Projektlandschaft zu betonen, mit der sich ein relativ kleines brandenburgisches Museum gemeinsam mit einem Gymnasium dieser Herausforderung stellten. Man kann getrost behaupten, dass die dramatischsten Momente des gesamten Films im Vorfeld seiner Entstehung zu suchen sind. Eine der Förderinnen des Projektes, die Chefin der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung, Dr. Martina Weyrauch, erwähnte eingangs „die quälende und langwierige Suche nach der Finanzierung des Projektes…“. Keinem der Beteiligten könnte mangelndes Engagement zum Vorwurf gemacht werden. Gerade für die involvierten Schüler bedeutete die Mitwirkung eine ungeheure Fleißarbeit.
Es fiel jedoch auf, dass, gemessen an der Filmlänge von ungefähr einer Stunde, die Person der eigentlichen Protagonistin unterrepräsentiert war. Man erfährt zu wenig über diese Edeltraud Eckert. Ein Familienfoto aus der Zeit in Schlesien. Ach so, sie kam aus Schlesien? Aus Hindenburg gar, wo der Vater als Buchhändler arbeitete, was vielleicht ihre Liebe zur Lyrik und zu Gedichten nach Rilke’schem Vorbild begründete? Sicher, Schwester und Schwager Edeltraud Eckerts und auch eine Mitgefangene berichten, aber hauptsächlich erzählen die interviewten Zeitzeugen von der eigenen Leidenszeit. Unterbrochen werden sie von lediglich vier der 101 Gedichte der verheißungsvollen Lyrikerin. Die sehr atmosphärisch gehaltenen, von ruhiger Kameraführung gestalteten Bilder, in der diese Gedichte eingebettet sind, bestechen. Sie verraten professionelles Handwerk. Der Hauptteil des Werkes dokumentiert jedoch die Bedingungen in Frauengefängnissen und Zuchthäusern der sowjetischen Geheimpolizei GPU und des späteren DDR-Innenministeriums. Was aber erfährt der Unbedarfte über die politischen Verhältnisse, in denen solche Gefängnisse, Zuchthäuser und Speziallager entstanden? Die Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU), welche die von Edeltraud Eckert transportierten Flugblätter initiierte und verteilen ließ, entwickelte sich in kürzester Zeit zu einer brandgefählichen Truppe, deren Aktivitäten Menschenleben kostete und von der sich sogar konservative Kreise der damaligen Frontstadt Westberlin mitten im Kalten Krieg distanzierten. Das findet keine Erwähnung. Überhaupt bleibt die politische Gesamtsituation eines traumatisierten Landes unbeleuchtet, das nach dem schrecklichsten aller Kriege, der auch auf seinem Boden ausgetragen wurde, verzweifelt nach einem menschlichen Neuanfang und einer lebenswerten Zukunft suchte und deshalb hart auf reelle, potentielle und angenommene Feinde reagierte. Ohne den historischen Kontext‘ bleibt dem Zuschauer das Bild einer romantischen Mädchenseele mit großem lyrischen Potential, die von entmenschten kommunistischen Sadisten einem grausamen Tode überantwortet wurde, nur, weil diese junge Frau für die Freiheit einstand. Ja, für welche Freiheit denn? Für die Freiheit von der Ausbeutung des Menschen durch die Menschen, wie es Geschichts- und Staatsbürgerkundelehrer noch vor zwei Jahrzehnten verkündeten und von ihren Schülern eifrig nachbeten ließen? Für Reisefreiheit? Für Meinungsfreiheit? Für welche Meinungsfreiheit? Für die, dem Regierungschef die eigene Meinung über dessen schlechte Politik kundzutun, ohne hinterher ins Gefängnis zu kommen? Oder über die, dem eigenen Chef die Leviten zu lesen, ohne im Nachgang Brot- weil arbeitslos zu sein? Welche Gedanken machte sich Edeltraud Eckert über die Freiheit, als sie die KgU unterstützte? Wo kamen die „Täter“ zu Wort, die damaligen Verfechter des Kommunismus? Das wäre für eine ausgewogene Dokumentation essentiell gewesen, die den Verdacht einseitiger Betrachtungsweise leicht hätte entkräften können. Welche diametralen politischen Richtungsträger nahmen sich des lyrischen Nachlasses der Edeltraud Eckert zu welchen Zeiten an und warum? Man erfährt es nicht. Man sieht Bilder von Gefängnismauern, ehemalige Gefangene, die unter der Last der Erinnerungen zusammenbrechen. Das Zuschauen schmerzt. Es berührt. Aber es sagt wenig wirklich Aussagekräftiges, historisch und dokumentarisch Verwertbares über eine hochdramatische Zeit, als die Welt auf den Rand ihrer eigenen Vernichtung zusteuerte. Statt eines objektiven Porträts einer jungen Frau anfangs der Fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts vermittelt der Film also den Ansatz eines Mythos, einer Verklärung, losgelöst aus Zeit und Raum. Das birgt Stoff für eine Heiligenlegende, nicht aber für politischen Unterricht. Misstrauisch machen kleine fehlerbehaftete Details, wie die kontinuierliche Verwendung des Namens Brandenburg/Havel für Brandenburg an der Havel oder Neustädter Markt für Neustädtischer Markt in den ansonsten gut platzierten und aussagekräftigen Untertiteln. Hier haben aber Brandenburger einen Film über ein Thema ihrer Heimatstadt gedreht! Das mag nach Lapsus aussehen. Es deutet dennoch auf eine Oberflächlichkeit, die in einem Dokumentarstreifen das Fundament der Vertrauenswürdigkeit unterminiert. Für die politische Bildungsarbeit kann der Film „F wie Freiheit“ daher nur unter den Bedingungen einer ausführlichen Vor- und Nachbereitung Verwendung finden. Als Beleg für den Fleiß und das außerschulische Engagement von Brandenburger Gymnasiasten aber darf er ein Alleinstellungsmerkmal beanspruchen.

 
B
6. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2008
30.09.2008