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Hören und Sehen
Das zweite Brandenburger Hörspielwochenende auf dem Marienberg

Kotofeij K. Bajun
Das letzte Wochenende (10.08.2008) bescherte dem Marienberg ein kulturelles Ereignis der besonderen Art. Der junge Verein Brandenburger Lauschkultur e. V. gestaltete sein zweites Hörspielwochenende. Junge Leute, im Durchschnitt 24 Jahre alt, Studenten der verschiedensten Fachrichtungen von Chemie bis Theologie, hatten es sich 2006 in den Kopf gesetzt, etwas für die Brandenburger Kulturlandschaft zu tun. Aber eben nicht irgend etwas. Sie erkannten, dass viele Kinder und Erwachsene der heutigen Gesellschaft von visuellen Reizen völlig überschwemmt und überfordert werden. Dabei drohen die anderen Sinne zu verkümmern und auf der Strecke bleiben allzuoft Fantasie und Kreativität. Die Veranstalter des Hörspielwochenendes um die Chefin des Vereins, die Journalistin Linda Vierecke, konzentrieren sich mit ungeheuer viel Einsatz und Engagement auf den Hörsinn. Kinderhörspiele werden geboten, Käpt’n Nemo Naut entführt die jüngsten Besucher auf eine Tauchfahrt in die Tiefen der Ozeane. „Gerade die Jüngsten gehen bei der Sache voll mit“, erklärt der Kapitän, der im zivilen Leben Richard Hoffmann heißt und demnächst Lehrer für Chemie und Mathematik wird. Das U-Boot, ein altes, größeres Zelt aus DDR-Zeiten, wurde mit liebevoller Kreativität von Jördis Labuda gestaltet. Beschallt wird es von außen. In einem anderen Zelt können die Kinder dann das Erlebte bastelnd umsetzen.
Die „Lauschkultis“ arbeiten eng zusammen, der eine kann dieses, der andere kennt jenen. Man kämpft sich durch die Anfangsschwierigkeiten der Vereinsarbeit: Wie schreibt man Konzepte, wie bewirbt man sich um Förderungen, wie organisiert man einen Catering-Service…Man muß sich mächtig rühren, wenn man etwas bewegen will, doch die Arbeit trägt erste Früchte: Unter den etwa 450 Gästen vom Sonnabend befand sich sogar der Landtagspräsident Gunter Fritsch mit Familie. Nicht nur ihm gefiel ausnehmend gut, was der Lauschkultur e. V. da auf die Beine gestellt hatte.
Unangefochten vom Disko- oder Straßenlärm können sich Brandenburgs Ohren wieder auf ihre eigentlichen Aufgaben einstimmen: Sie nehmen Informationen auf, regen Fantasie an, leisten unentbehrliche Beiträge zur Orientierung.
Auf die exponierte und trotzdem ruhige Lage des Veranstaltungsgeländes legten die Veranstalter besonderen Wert. Sie möchten den Marienberg bewußt in den Mittelpunkt des kulturellen Interesses der Havelstadt legen. „Der Marienberg hat eine Tradition als Schauplatz von Kultur“, erklärt Jördis und weist in Richtung der Freilichtbühne, die, obschon frisch saniert, wieder in ihren Dornröschenschlaf zu fallen scheint. „Das Gelände hier muß belebt werden“, sagt die junge Frau, die Sonderschulpädagogik und Kunst studiert. Natürlich wendet sich das Pogramm auch an Erwachsene. Sobald der Sandmann, der auch tatsächlich auf einem Moped der Marke „Schwalbe“ vorbeikam, den Kindern eine gute Nacht gewünscht hat, dürfen die Erwachsenen preisgekrönte Hörspiele verfolgen, wie das von Sebastian Hocke: „Ausgeträumt“ heißt es.
Ausgeträumt haben die Studenten ihre Vereinsidee jedoch noch lange nicht. Obwohl sie nunmehr an Universitäten des ganzen Landes verstreut studieren, stehen sie doch in engem Kontakt mit ihrer Heimatstadt. Für sie wollen sie in erster Linie etwas tun, ihr wollen sie treu bleiben. Die Stadt und ihre Bewohner danken es ihnen. Unterstützt werden sie von der Alfred-Flakowski-Stiftung, dem Kulturmanagement der Stadt Brandenburg, der Mittelbrandenburgischen Sparkasse, dem Buchhaus Melcher und der Vicco-von-Bülow-Stiftung. Sketche dieses großen Sohnes der Havelstadt kommen ebenfalls regelmäßig zum Vortrag. Sie haben eben Spaß bei der Sache. Kein Platz für staubtrockene und bierernste Pädagogik oder den mahnenden Zeigefinger. Nicht mal der verregnete Sonntag konnte die Stimmung trüben. Das Hörspielwochenende soll zu einer jährlichen Institution ausgebaut werden. Pläne für andere Kulturveranstaltungen wie Kunstausstellungen oder Workshops liegen bereits in der Schublade. Das zweite Brandenburger Hörspielwochenende, welches von manchen Besuchern als „kleines Woodstock“ betitelt wurde, setzt einen hörbaren Kontrapunkt zu Lethargie und Abwanderung.

 
B
5. Volumen
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