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Auschwitz und sein langer Schatten

Kann eine tiefschwarze Sache Schatten werfen? Auschwitz tut es!

B. St. Fjøllfross
Am 27. Januar 2021 jährte sich das Datum zum 76. Mal, dass die Rote Arbeiter- und Bauernarmee der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken die Tore einer der grauenhaftesten Höllen aufstieß, welche Menschen je für andere Menschen bereiteten und die letzten darin überlebenden armen Seelen befreite.

Der jüdische Philosoph Hans Jonas stellte nach den Erfahrungen, dass so etwas in der Realität wirklich möglich ist, den Gottesbegriff als Ganzes in Frage. Was konnte ein Volk verbrochen haben, dass sein Gott sich so verräterisch von ihm abwandte. Die glasklare Antwort muss lauten: NICHTS!

Es gibt kein Verbrechen, dessen man sich schuldig machen konnte, um so etwas zu verdienen. Mit Ausnahme dieses Verbrechens selbst. Das aber war vorher noch ohne Beispiel gewesen. Und die absolut überwiegende Anzahl derer, die dort viehisch ermordet wurden, hatten sich überhaupt nie auch nur einer Verfehlung schuldig gemacht. Das waren Männer, Frauen, Kinder, Alte – die von den schwarzgelackten Bestien und ihren zivilen Helfershelfern aus einem normalen Leben gerissen wurden. Warum? Nun – weil ein ganzes Volk, das selbst über die Jahrhunderte hinweg immer wieder durchgeprügelt wurde und nun auf einmal selbst einen Knüppel in die Hand zu fassen bekam, in einer Art Raserei, einem kollektiven Wahnsinn auf alles einzudreschen begann, was es irgendwie nicht zu sich selbst gehörig begriff.

Doch halt: Wir sagen „Auschwitz“, diesen Ort, der pars pro toto steht. Man ist aber versucht darüber hinaus zu vergessen, dass es dort noch andere, nicht minder schreckliche Todesfabriken gab: Majdanek, Belzec, Sobibor, Treblinka, Bergen-Belsen, Buchenwald, Sachsenhausen, Ravensbrück, Stutthof, Dachau, Dora-Mittelbau, Theresienstadt … die Reihe ließe sich noch eine Weile fortsetzen.

Wer das heute in Abrede stellt, dem solle man eine heilsame Kur verpassen – in einem diesen Orten des Grauen nachempfundenen Lager, abzüglich der finalen Vernichtung. Ein halbes Jahr reicht. Wer dann nicht geläutert ist und immer noch dämliches Zeug absondert, den möge man dauerhaft von der Gesellschaft isolieren, ihn – um mit dem größten König Preußens zu sprechen – in ein Irrenhaus geben und dort vernünftig und menschlich behandeln.

Was diese geistigen Einzeller nämlich nicht erfassen können, ist, dass hinter jedem der in den Todeslagern der Nazis Ermordeten eine Biografie steht: Eine Frau trägt so ein Kind neun Monate unter ihrem Herzen – das ist schon eine Tortur. Dann bringt sie es unter Qualen zur Welt. Dann zieht sie es groß, kommt Jahre lang nicht mehr zum Schlafen, sitzt am Bett ihres Kindes, wenn es krank ist, nimmt es bei seinen Patschehändchen um ihm das Laufen beizubringen, geduldig, geduldig. Freut sich daran, wie es seine ersten Schritte macht, stolpernd, das noch viel zu große Köpfchen wackelt auf den kleinen Schultern. Dann die ersten gelallten Worte, dann die Schule mit all ihren Erfolgen und Kalamitäten, dann … Und so wächst so ein Mensch heran, ringt mit dem Leben und wächst an ihm und … dann kommen ein paar wahnsinnige Monster und vernichten all das binnen weniger Minuten. In Gaskammern, Elektrozäunen, durch Gewehrkugeln, durch Hunger, durch Feuer, durch Schinderei und Quälerei. Und später wollen sie’s nicht gewesen sein. Sie schämen sich nicht dafür. Und ihre saudummen Spießer-Nachbarn nehmen sie noch in Schutz … es sind doch so nette, umgängliche und fleißige Menschen! Und bei diesen Nachbarn liegt der Teppich des Juden in der Wohnung und sein Meißner steht im Schrank, am Handgelenk die teure Uhr des Juden, der vom netten, umgänglichen und fleißigen Mörder an der Rampe selektiert und ins Gas geschickt wurde. Und mit ihm die Oma und die kleine Tochter, die eben an Mamas Hand das Laufen gelernt hat – die Mama natürlich auch. Amon Göth – die Bestie von Płaszów – hatte es auf den Punkt gebracht: Man sei ja kein Unmensch – man wolle schließlich keine unzufriedenen, weil leidenden Hinterbliebenen zurücklassen.

Auschwitz und die anderen Lager haben uns tiefer in den neunten Kreis der Hölle blicken lassen, als es Dante Alighieri je vergönnt war. Dieser Höllentrichter befindet sich nicht im Norden der Weltkugel, wie es der italienische Nationaldichter fabulierte, sondern in der Seele des Nackten Affen, immer und immer noch. Der dokumentarische Film „Die Welle“ beweist es.

Auschwitz wirft einen finsteren Schatten auf die deutsche Zukunft – und das darf auch gar nicht anders sein. Das Gerede von der Auschwitz-Keule ist hirnloses Gewäsch. „Irgendwann muss mal Schluss sein?“ Nein! Niemals! Dazu war das, was dort passierte, so bestialisch, zu unvorstellbar, zu … - nein, dafür ist die Sprache nicht erfunden worden. Dafür kennt keine Sprache dieser Welt ein passendes Wort.

Es ist aber sehr wohl die Frage, wie mit diesem Schatten umzugehen ist. Denn das bestimmt die Zukunft des deutschen Volkes und aller Völker dieser Welt.

Und wieder greift die epochale Formulierung des größten aller abendländischen Ärzte, Theophrast Bombast von Hohenheim, genannt der Paracelsus. Er sagte kurz und knapp: DOSIS FACIT VENENVM! Es ist die Menge, die macht, dass ein Ding ein Gift ist. Wir erklären das:

Zu wenig Erinnerung – und dieses Verbrechen wird verniedlicht, banalisiert – seiner Wiederholung Tür und Tor geöffnet. Kambodscha unter Pol Pot möge dies unterstreichen.

Wird aber zugelassen, dass der Schatten von Auschwitz zu kollektiven Minderwertigkeitskomplexen führt, welche eine gesunde, rationale, vernunftbegründete und kritische Auseinandersetzung beispielsweise mit Problemen der Migration verhindert, dann führt das unweigerlich auf dem Umweg sich formierenden Widerstands aus der dumpfen Ecke der Nation zu exakt demselben Effekt.

Die Lehren aus Ausschwitz fordern einen ehrlichen Respekt vor dem Mitmenschen, sofern er kein Nazi ist, aber auch – und das ist das Entscheidende – sie fordern auch dem Anderen genau diesen Respekt vor uns als der Nation ab, welcher die Bestien von damals entstammten. Nicht, weil die Banditen unserem Volke entstammten, sondern weil die Deutschen – zwar sehr spät – aber dann ehrlich bemüht waren, reinen Tisch mit ihrer Vergangenheit zu machen. Das ist harter Tobak, zugegeben, aber anders geht es nicht.

Wer diesen Respekt nicht aufzubringen vermag, wer den Schatten Auschwitz‘ missbraucht, um die Deutschen von heute für blöd zu verkaufen und sie auszunehmen wie die Weihnachtsgänse, der soll, egal wo er herkommt, dorthin wieder zurückgehen. Der hat die Gastfreundschaft eines Landes nicht verdient, das seit einigen Jahren versucht, sich diesem Schatten mit großen Anstrengungen zu stellen und die richtigen Lehren zu ziehen. Und die Deutschen sollen ihm ohne überflüssige Sentimentalitäten auf diesem Wege zurückhelfen – um den hier Aufgenommenen und den zukünftigen Prätendenten den Wert deutscher Gastfreundschaft und Hilfswilligkeit deutlich vor Augen zu führen. Nur dann – und nur dann kann es eine friedliche Zukunft zwischen Einheimischen und ihren Neu-Mitbürgern anderer Kulturen und Sozialisationen geben. Nicht anderes!

26. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
10.02.2021