Lawry's Kristallkugel – ein britischer Emeritus 
          mausert sich zum Propheten
        Lwarence von Delphi sieht rot
        Michael L. Hübner. Havelsee. 
          Das regierungshörige Nachrichtenmagazin 
          FOCUS ließ am 13. Mai 2022 den britischen Kriegsforscher Lawrence Freedman 
          vom King’s College einen tiefen Blick in die Kristallkugel tun um zu 
          erfahren, wie der Scheißkrieg in der Ukraine für Russland nun enden 
          wird.
          
          Herr Freedman rieb und rieb die Kugel und es erschien wunderbarerweise 
          die Militärparade auf dem Roten Platz in Moskau. Und nun orakelte der 
          emeritierte Professor drauflos.
          
          Wäre er noch in Amt und Würden, so hätte ihn sein Gebrabbel wahrscheinlich 
          die Professur und das Renommee gekostet. Nun aber, da man milde auf 
          die geistigen Verfallserscheinungen blickt, welche das Senium so mit 
          sich bringt, braucht er sich nicht zu sorgen, dass man ihn auslacht. 
          Sollten seine Betreuer ein paar Hirnwindungen mehr mobilisieren können 
          als eine Amöbe, dann reichen sie ihm zur Teatime milde die Schnabeltasse 
          mit dem im Darjeeling gelösten Sedativum.
          
          Herr Freedman geht in etwa vor, wie es die GPU-Agenten Väterchen Stalins 
          im Frühjahr 1941 taten, als sie für den blutigsten und gestörtesten 
          aller Zaren die Möglichkeiten der Wehrmacht eruieren sollten, die Sowjetunion 
          anzugreifen: So beobachteten diese unter anderem den internationalen 
          Schaffellmarkt, ob dort massive Ankäufe durch das Reich zu verzeichnen 
          seien, weil man im Kreml davon ausging, dass die Wehrmacht, die ja zum 
          großen Teil in der Sowjetunion ausgebildet wurde, über die dort herrschenden 
          klimatischen Bedingungen Bescheid wüsste und sich also für den Winter 
          vorsorglich mit Schaffellen eindecken würde. Andere Agenten sammelten 
          in der Umgebung deutscher Kasernen Öllappen ein, mit denen die deutschen 
          Soldaten ihre Technik putzten. In Moskauer Labors wurde dann untersucht, 
          ob dieses Öl kälteresistent war oder nicht. Alle Zeichen standen auf: 
          Kein Angriff zu befürchten! Am 22. Juno 1941 stand die Wehrmacht dann 
          aber plötzlich auf russischer Erde und am 2. Oktober 1941 klopfte sie 
          bereits mit schweren Geschützen an die Tore Moskaus.
          
          Also besieht sich der Prophet Lawrence die Militärparade und stellt 
          fest, dass auf die Demonstration der Luftwaffe verzichtet wurde, weil 
          diese in der Ukraine gebunden sei. Aha. Wenn man aber das Fehlen von 
          Fluggeräten konstatiert, sollte man doch aber zwingend wenigstens einmal 
          einen flüchtigen Blick in den Himmel über dem Roten Platz gewagt haben, 
          oder? Dann müsste einem doch auffallen, dass dieser Himmel über Moskau 
          am 9. Mai 2022 ziemlich bewölkt war. Vielleicht lag’s daran, Lawry? 
          Liebe und Ideologie machen bekanntlich blind. Na ja, Liebe wird’s wohl 
          bei dem Old Fellow nicht mehr sein.
          
          Die Soldaten, die da paradierten, waren wenige und alle müde und erschöpft 
          und sehnten sich nach dem NATO- Befreiungsschlag, der sie ihres Dienstes 
          in der russischen Armee enthebt und sie endlich für die Amis in Sibirien 
          nach Bodenschätzen graben lässt.
          
          Vielleicht hat ja der Old Boy auch recht: Das schienen wirklich nur 
          drei Männeken gewesen zu sein, die – nachdem sie am Lenin-Mausoleum 
          vorbeiparadiert waren, in Windeseile einmal um den Kreml geflitzt sind, 
          sich dabei im Laufschritt die Uniform einer anderen Waffengattung überstreiften, 
          um dann ihre nächste Runde im Stechschritt am Zaren vorbeizustolpern.
          
          Ach, Lawrence, wenn man vorne und hinten nicht mehr hochkommt, sollte 
          man dann nicht besser die Klappe halten? Man muss doch nicht mit Gewalt 
          das Image vom verblödenden Greis pflegen, der nur noch Unsinn stammelt.
          
          Deine großen Zeiten, als du so grandios den Kriegsverlauf der Amis in 
          Vietnam, im IRAK und in Afghanistan vorhergesagt hast – hast du doch, 
          oder? – die sind vorbei. Warum haben wir eigentlich damals deinen Namen 
          nirgends gehört. Sind wir solche Ignoranten? Lagst du kolossal daneben 
          oder warst du schon damals so brillant – nur deine Prognosen passten 
          damals nicht ins Geschäft der ideologischen Tagespropaganda?
          
          Schade, dass der Focus damals noch nichts von dir wusste! Wie gerne 
          hätten wir diese Focus-Ausgaben archiviert.
          
          Uns tun die Kollegen vom Focus leid. Wir wissen noch selbst sehr gut, 
          mit welchen Magenkrämpfen man sich des Morgens aus dem Bette quält, 
          wenn man dessen gewahr wird, wie sehr man trotz verfassungsrechtlich 
          garantierter Pressefreiheit von Chefredaktion und Verlagsspitze einerseits 
          und vom bereits auf Linie getrimmten Pöbel andererseits gezwungen wird, 
          für die lumpigen paar Kröten am Monatsende wider bessere Einsicht und 
          Gewissen einen Scheiß schreiben und drucken zu müssen, über den man 
          selbst eimerweise kotzen könnte. Wir verweisen auf die berühmte Abschiedsrede 
          von John Swinton (1829-1901), einstiger Chefredakteur der nicht ganz 
          unbedeutenden New York Times, welche dieser anlässlich seiner Verabschiedung 
          im Jahre 1880 hielt:
          
          "Bis zum heutigen Tag gibt es so etwas wie eine unabhängige Presse 
          in der Weltgeschichte nicht.
          
          Ich werde jede Woche dafür bezahlt, meine ehrliche Meinung aus der Zeitung, 
          bei der ich angestellt bin, herauszuhalten.
          
          Wenn ich meine ehrliche Meinung in einer Ausgabe meiner Zeitung veröffentlichen 
          würde, wäre ich meine Beschäftigung innerhalb von vierundzwanzig Stunden 
          los.
          
          Es ist das Geschäft der Journalisten, die Wahrheit zu zerstören, unumwunden 
          zu lügen, zu pervertieren, zu verleumden, die Füße des Mammons zu lecken 
          und das Land zu verkaufen für ihr täglich Brot.
          
          Wir sind die Werkzeuge und Vasallen der reichen Männer hinter der Szene. 
          Wie sind die Hampelmänner, sie ziehen die Fäden, und wir tanzen.
          
          Unsere Talente, unsere Möglichkeiten und unsere Leben sind das Eigentum 
          anderer Männer. Wir sind intellektuelle Prostituierte."
          
          Arme Focus-Kollegen! Andererseits hätten sie in der Schule aufgepasst, 
          dann wäre auch etwas Vernünftiges aus ihnen geworden. Kriegsforscher 
          am King’s College beispielsweise. Für die Damen wäre sicher noch ein 
          Plätzchen über dem Schemel der Pythia zu Delphi frei gewesen. Da steigen 
          auch immer so betörende geothermische Dämpfe aus den seismisch aktiven 
          Erdspalten. Die kann man tief einschnüffeln und dann getrost für das 
          eigene unverständliche Gebrabbel verantwortlich machen.
          
          Interpretiert wird’s dann eh von der Priesterkaste – in unserem Falle 
          von der Verlagsleitung, deren gute Beziehungen zu Regierungskreisen 
          und denen, welche ihrerseits die Regierung an der Longe durch die Arena 
          führen, sicherstellt, dass es zumindest diese Personen freut, was in 
          der nächsten Ausgabe zu lesen steht.
          
          Nicht, dass wir keine Freude gehabt hätten bei der Lektüre von Lawrys 
          Beitrag. Man hat ja sonst kaum was zu lachen in diesen inflationär geprägten 
          Kriegszeiten!