Don M. Barbagrigia
                  Europas welscher Stiefel 
                  hat gewählt. Pom-bidi-bom! Wir rühren unsere Landsknechtstrommel 
                  recht unlustig, denn das Wahlergebnis ist für jede anständige 
                  europäische Kulturnation sehr, sehr unbefriedigend. Für 
                  Italien jedoch ist es folgerichtig, logisch, konsequent. 
                  Silvio Berlusconi hat den Zuschlag erhalten. Pom-bidi-bom! Wir 
                  sehnen uns nach den Zeiten von Don Camillo und Peppone zurück, 
                  als die politischen Verhältnisse in Italien trotz ihrer 
                  immanenten Verworrenheit doch noch relativ überschaubar 
                  waren. 
                  Dieser Rechtsruck mag den mit der italienischen Situation nicht 
                  vertrauten Beobachter befremden. Für uns, die wir uns seit 
                  den Zeiten unseres seligen Kaisers in Palermo mit dem zisalpinen 
                  Teil des Heiligen Römischen Reiches verbunden fühlen, 
                  ist die Sache klar. Haben wir nicht den Italienern schon immer 
                  geraten, gleich die Mafia ins italienische Präsidialamt 
                  zu wählen? Die Vorteile lägen auf der Hand: Es gäbe 
                  endlich wieder eine straffe, effiziente und auf Kontinuität 
                  angelegte Verwaltung, die zwar dem modernen okzidentalen Demokratieverständnis 
                  Hohn lächelte, und deren „Strafgesetzbuch“ 
                  um einiges fragwürdiger wäre als das der momentan 
                  viel kritisierten roten Mandarine zu Peking – aber der 
                  Laden würde laufen.
                  Seit der Sizilianischen Vesper 1282 und dem ihr vorrausgehenden 
                  Mord an dem sechszehnjährigen Konradin von Hohenstaufen 
                  im Jahre 1268 zu Neapel durch Karl Anjou ist Italien in zentralpolitischer 
                  Hinsicht auf keinen grünen Zweig mehr gekommen. Auch Garibaldis 
                  Kampf konnte daran nichts mehr ändern. In der letzten Nachkriegszeit 
                  wechselten die Italiener ihre Regierungen wie das Unterhemd. 
                  Das war ein Kommen und Gehen wie im Taubenschlag.
                  Irgendwann, das muß im Jahre 1994 gewesen sein, schlug 
                  für Don Silvio zum ersten Male die Stunde der Macht. Zwischenzeitlich 
                  gab es die Ären Berlusconi I, II, III und nunmehr IV. Silvio 
                  forever! Man fragt sich wirklich, was die Italiener dazu treibt, 
                  sich immer wieder wie die Lemminge verzückt in die Tentakel 
                  des Medienkraken Berlusconi zu werfen. Ist dieses Volk am Ende 
                  kollektiv meschugge geworden?
                  Sicher nicht. Die Italiener haben schlicht und ergreifend die 
                  Schnauze voll. Sie sehen in Berlusconi durchaus den Gannef, 
                  dem sie sich auf Gedeih und Verderb ausliefern. Dennoch ist 
                  diese Wahl für sie das kleinere Übel! Zerrissen von 
                  Korruption und Mafiaterror, gespalten durch den ungeheuren Reichtum 
                  des Nordens und die brüllende Armut des Südens ist 
                  ihnen ein potenter Räuberhauptmann lieber als ein honetter 
                  Schwächling. Das ist das ganze Geheimnis.
                  Sie holen sich die Mafia ins Haus, weil sie einesteils daran 
                  glauben, daß die Fliege, die auf der Fliegenklatsche sitzt, 
                  schwerlich geklatscht werden kann und zweitens, weil sich die 
                  Ehrenwerte Gesellschaft, unter welchem Namen auch immer, als 
                  einzige Macht in Italien über Jahrhunderte hinweg als eine 
                  berechenbare Konstante im Machtgefüge erwiesen hat. 
                  Nun ist damit beileibe nicht gesagt, daß Silvio Berlusconi 
                  ein Pate ist oder sonst etwas mit dem organisierten Verbrechen 
                  zu tun hat. Dieses spekulative Feld können wir nicht bestätigen 
                  und wollen es auch nicht. Was wir aber für einen unumstößlichen 
                  Fakt halten, ist, daß die Machtstrukturen denselben Prinzipien 
                  folgen, wie die der Schattengesellschaft. Und offensichtlich 
                  ist den Welschen ein gut geheizter und trockener Stall lieber, 
                  in dem sie gemolken werden und widerkäuend darauf warten, 
                  daß ihnen ihre Hirten das Fell über die Ohren ziehen, 
                  als eine Freiheit, mit der sie in praxi nicht allzuviel anzufangen 
                  wissen. 
                  Ob ihres heimlichen Matriarchats haben wir die Italiener immer 
                  ein bißchen bewundert, obgleich die Parallelgesellschaften 
                  des organisierten Verbrechens auf einem strengen patriarchalen 
                  Fundament ruhen. Nun werden wir den Verdacht nicht los, daß 
                  die Frauen entweder nicht Manns genug sind, dem Unwesen Herre 
                  zu werden, oder – was noch weitaus schlimmer sind – 
                  daß sie die wahre Ursache des bösen Treibens sind, 
                  indem sie ihre Männer und Söhne genau in diese unselige 
                  Richtung erziehen, drängen und treiben. Wird Italien am 
                  Ende von vielen kleine Medeen bevölkert…?
                  Ach bellissima Italia! Es ist hoffnungslos mit dir. Der von 
                  Berlusconi als Geschenk an den Süden verheißene Brückenschlag 
                  über die Straße von Messina wird auch nichts mehr 
                  reißen. Im Prinzip könnte er die Brücke gleich 
                  bis zur Cyrenaika weiterbauen. Denn von dort kommt das nächste 
                  Problem, daß die Italiener dem Medienmogul in die Saugnapf-behafteten 
                  Arme treibt: Tausende von Flüchtlingsbooten, die gerade 
                  in den ärmsten Teilen Italiens anlanden. Sie transportieren 
                  Legionen ausgehungerter Neger, die in Afrika keine Sonne mehr 
                  sehen und im für sie immer noch sagenhaft reichen Europa 
                  eine Zukunft für sich und ihre Familien suchen. Wäre 
                  Sizilien noch die Insel, die es zur Zeit unseres Kaisers von 
                  Palermo war, dann wäre dieser unaufhaltsame Flüchtlingstsunami 
                  noch halbwegs zu stemmen. So aber ist der ausgebrannte Süden, 
                  die ehemalige Kornkammer Europas, selbst ein Armenhaus, das 
                  nur noch überfordert ist. Die wissen nicht mehr vor und 
                  zurück. Das afrikanische Problem können sie nicht 
                  lösen. Das Einzige, was ihnen noch einfällt, man sehe 
                  ihnen dieses nach, ist ein starker Küstenschutz, initiiert 
                  von einem starken Manne. Viva Berlusconi! Die Lega Nord, die 
                  zwischen den armen Negern und den armen Sizilianern keine großen 
                  Unterschiede macht und Sizilien am liebsten gleich nach Afrika 
                  rüber rudern würde, jubelt dem drittklassigen Demagogen 
                  zu, weil er ihnen, ebenso versteckt wie dezidiert, genau diese 
                  Hoffnung bedient und nährt. Haben die lombardischen Pfeffersäcke 
                  nicht schon zur Stauferzeit mehr oder weniger erfolgreich gegen 
                  den zentralgewaltigen Stachel gelöckt, der verbissen an 
                  der Idee des einigen Reiches unter seiner Rigide festhielt, 
                  wie ein Pitbull-Terrier an seinem Knochen! Na bitte! Wie heißt 
                  es beim Skat: Wat eenmal jeht, jeht zweemal ooch! Vor allem, 
                  da in Palermo und Neapel kein politisches Schwergewicht mehr 
                  sitzt, sondern nur noch ein paar zerlumpte, vor Hunger und Dreck 
                  verwirrte, schießwütige Schutzgeldeintreiber.
                  Ach, Neapel… in der Müllhauptstadt Europas will Berlusconi 
                  seine erste Regierungskonferenz abhalten, um am Abhang des Vesuvs 
                  zu demonstrieren, daß ihm die südliche Metropole 
                  nicht scheißegal ist. Die einheimischen Clans wird es 
                  freuen, denn an sie dürfte die Botschaft am ehesten adressiert 
                  sein.
                  Und mehr noch, Onkel Silvio will sich fürderhin nicht mehr 
                  zur Ruhe betten, ehe er nicht etwas für das italienische 
                  Volk getan hat. Und keinem Italiener soll künftig in die 
                  Tasche gefaßt werden. Nun aber ganz schnell raus aus der 
                  Redaktion! Solchen Balken biegenden, grotesken und rabenschwarzen 
                  Humor haben die Statiker seinerzeit nicht vorausahnen, geschweige 
                  berechnen können.
                  Und während wir bei einem Glase Chianti unter Gottes und 
                  der Mafia freiem Himmel auf die (vierte) neue Ära Berlusconi 
                  anstoßen, schallend lachend und Rotz und Blasen heulend, 
                  danken wir unserem protestantischen Schöpfer für das 
                  Geschenk der Alpen, die uns trotz Brennerpaß noch immer 
                  ganz leidlich gegen den Süden des Sacrum Imperium Romanum 
                  schützen. Auch wenn schon halb Leipzig in den Händen 
                  der Mafia ist, die an den Ufern der Pleiße nicht ganz 
                  so fair und offen kämpft wie einst der Petit Caporal Napoleon 
                  Bonaparte aus Korsika. 
                  Kleiner Trost für die Leipziger – bald empfangt ihr 
                  alle die beseligenden Sendungen von Zio Silvio; es gibt dann 
                  auch eine Riesenauswahl an Pizzen, Pasten und Sonnenbrillen. 
                  Arrivederci Italia, - wie kann man nur so blöde sein…?!