Über das Alter 
        B. St. Fjøllfross
           Warum nur geben so viele Menschen 
          im Alter ihr Leben aus der Hand. Nicht das sie es wegwürfen. Bewahre! 
          Sie überlassen die Organisation ihrer Belange mehr und mehr ihren 
          Kindern und werden auf diese Art und Weise zu den Kindern ihrer Kinder. 
          Ich finde das zutiefst unwürdig. Haben diese Menschen, die in ihrem 
          Leben unerhörtes geleistet, zwei Kriege, Inflation, Nazis und Russen, 
          Wiederaufbau und Kommunismus überstanden haben, auf ihre alten 
          Tage ihren Stolz verloren? Obsiegen die körperlichen Gebrechen 
          in dem Maße, daß sie sich für Gänge, die der nachfolgenden 
          Generation eine Selbstverständlichkeit sein sollten, dermaßen 
          verpflichtet fühlen, daß sie den Kindern auch noch den Rest 
          der Verantwortung für sich selbst überlassen? Werden sie sich 
          einer zunehmenden geistigen Insuffizienz bewußt, die sie fürchten 
          macht, sie könnten fürder ihre Angelegenheiten nicht mehr 
          selbst regeln? Ich meine, sie haben diese Kinder groß gezogen, 
          denen sie sich jetzt so sehr ausliefern. Sie haben sie durch die harten 
          Jahre gebracht, um sich jetzt von ihnen bevormunden und schlimmstenfalls 
          noch berauben zu lassen. Welch ein Jammer unter Gottes Himmel!
          Sie lassen sich bevormunden, kommandieren und gängeln. Welche Schande! 
          
          Manche gibt es, die ein Leben lang gewissen Prinzipien treu waren. Das 
          aus bewährtem Grunde. Sie waren ordentliche und gewissenhafte Menschen, 
          pünktlich und zuverlässig, bedacht auf Sauberkeit und ihr 
          Erscheinungsbild. Nun, da das Senium sie eingeholt hat, scheinen diese 
          Prinzipien im selben Maße aufzuweichen, wie ihre physiologische 
          Konsistenz. Man betritt das Zimmer eines solchen Menschen und der Blick 
          fällt auf eine ausgesuchte Bibliothek, die vor ca. 50 Jahren absolut 
          vorzeigbar war. Sie läßt noch heute darauf schließen, 
          daß der Inhaber ein brillanter oder ein spritziger Geist, ein 
          nachdenklicher oder ein wissender Mann gewesen sein muß. Seine 
          Züge scheinen das noch immer zu bestätigen. Doch das Ambiente 
          hat sich verändert: Die Teppiche sind in einem ungepflegten, desolaten 
          Zustand. Das Geschirr nicht abgewaschen. Die Ecken der Stube verrumpeln. 
          Der Mensch hat sich und das was ihn ausmachte, aufgegeben. 
          Ich verstehe, daß im Alter eine gewisse Lebensmüdigkeit durchaus 
          physiologischer Natur ist. Muß denn aber das gleich die Aufgabe 
          der ganzen Persönlichkeit bedeuten. Der Herr bewahre mich vor dieser 
          Art von Verfall. Amen