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Ein Skelett auf dem Bischofshof
Archäologen geben Jahresbericht vor Historischem Verein

Michael L. Hübner
In einem Vortragsmarathon gaben die Brandenburger Archäologen am Donnerstagabend im Gemeindesaal zu St. Katharinen ihren traditionellen Jahresrückblick vor dem Historischen Verein der Havelstadt. Etwa 85 Besucher lauschten den thematisch breit gestreuten Referaten. Man war neugierig, was die Archäologen zwischenzeitlich an Geheimnissen der Vergangenheit dem Brandenburger Erdreich entlockt hatten. Sechs Referenten gaben über zwei Stunden lang Auskunft, moderiert vom Doyen der Brandenburger ausgrabenden Zunft, Dr. Joachim Müller. Man arbeitete sich zielsicher von der Peripherie in die Stadtmitte vor. Schloss Gollwitz, Klein Kreutz und der Plaue'sche Werder boten im Zuge von Baumaßnahmen den Archäologen Gelegenheit, teils flächige, teils stichpunktartige Grabungen vorzunehmen. Knochen von Mensch und Tier, Scherben, Gürtelschnallen, Gläser, Ofenkacheln und ganze Brunnenanlagen – was der Brandenburger Untergrund an Artefakten aus Tausenden Jahren Siedlungsgeschichte noch verbirgt, ist erstaunlich. Da liegt auf dem Gelände des alten Bischofshofes an der St. Gotthardtkirche ein männliches Skelett aus dem Mittelalter, schwere Hiebwunden am Schädel. Der Mann wird wohl bei Kampfhandlungen zu Tode gekommen sein, erklärt Dr. Wolfgang Niemeyer. Eine Regelbestattung sei das wohl nicht, wenngleich Kirchen im Mittelalter oft im Zentrum von Friedhöfen standen. Auch im Umfeld der Franziskanerkirche St. Johannis, an der Johanniskirchgasse gegenüber dem Hofe des Gotischen Hauses, finden Archäologen drei Gräber. Eng an eng, eine Mutter liegt dort, ihr Kleinkind auf ihr. Die Hälfte der Gebeine ruhen offensichtlich seit Jahrhunderten unter den Fundamenten eines angrenzenden Gebäudes. Gaby Niemann von der Brandenburger Firma erzählt, während sie mit ihrem Pointer die entsprechende Stelle des Bildes zeigt. Ihre und die Ausführungen ihrer Kollegen sind qualitativ sehr hochwertig; vielleicht etwas zu anspruchsvoll für eine Darstellung, die in erster Linie an Laien adressiert sein sollte. In der Atmosphäre einer Fachtagung ist von gewachsenen und gestörten Bodenschichten die Rede, die sich unter einem Planum finden, hier verweisen Staunässebereiche auf historische Starkregenfälle, Kulturhorizonte stellen sich vor eingetieften Schichten dar – es ist die Sprache der Fachleute, der Fachzeitschriften und des Fachpublikums. Unverzagt mühten sich die anwesenden Laien, dem Dargebotenen tapfer zu folgen. Es lohnte, denn die Archäologen hatten wirklich viel Neues und Interessantes zu bieten: Scherben und Artefakte aus dem Neolithikum vor etwa 7.000 Jahren bis über die Bronze- und Eisenzeit, die römische Kaiser- und die Slawenzeit, bis hinein in das Mittelalter, welches der Stadt Brandenburg Gestalt und Namen verlieh. Diesem war übrigens Stefan Dahlitz auf dem mutmaßlich kleinsten Grabungsfeld der Saison auf der Spur: In der Nähe des Altstädtischen Wassertors wurde ein Gebäude mit einem Betonringfundament bis in 3,60m Tiefe gesichert. Ein Halbkreis von kaum 70cm Durchmesser blieb Dahlitz zum arbeiten auf dem Grund des Schachts. Eine unerwartet reichhaltige Befundlage aber entschädigte für die gehabten Mühen.
Auf dem Marienberg wurden anlässlich der Rekonstruktion des Wasserkessels Bruchstücke vom ehemaligen Kriegerdenkmal gefunden und konnten anhand alter Photos zugeordnet werden. Wer die einzelnen Mosaiksteine zusammenzufügen vermag, dem erschließt sich die Havelstadt als dynamischer Organismus, Heimat hunderter Generationen.

 
B
7. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2008
15.01.2009