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Heulen die Wölfe noch?
Mütterchen Russland hat eine neue Duma „gewählt“

Kotofeij K. Bajun
Ach Mütterchen, Mütterchen! In dem russischen Volksmärchen von der Zauberstute Siwka-Burka steigt ein verstorbener Vater allnächtlich aus seinem Grabe und fragt seinen Sohn: „Sag, was geschieht in Russland: bellen die Hunde oder heulen die Wölfe oder weinen meine Kinder?“ Die Frage ist mehr als berechtigt und sie ist in allen drei Punkten zu bejahen. Zar Putin schreibt Parlamentswahlen aus und lässt alle Kontrahenten auf einer demokratischen Plattform aus dem Weg räumen. Während der Wahlen lässt er betrügen, was das Zeug hält und zeigt ganz deutlich, wer die Krone Monomachs auf dem Haupte trägt und weiterhin tragen wird. Die Kinder Russland weinen und die Hunde bellen – vor allem die europäischen. „Demokratie! Demokratie!“, jaulen sie, dabei völlig ignorierend, dass Demokratie im Riesenreich der Russen keine, aber auch gar keine Tradition hat. Nicht mal ansatzweise. Russland ist wie ein riesiger, archaischer Tanker. Ein Ruderkommando wirkt sich erst nach vielen Seemeilen aus. Ehe man mit diesem Giganten eine Kehrtwendung von der jahrhundertealten Diktatur hin zu echten demokratischen, vom Volke getragenen Verhältnissen erreicht, braucht es Generationen. Bislang sind demokratische Auseinandersetzungen die Angelegenheiten weniger Aktivisten.
Worum es im Kreml einzig und allein geht, ist die Frage der Macht. Sonst nichts. Wer sie hat, will sie behalten und gibt sie bestenfalls mit einem Messer im Rücken oder nach einem Schluck vergifteten Weines wieder ab.
Da schüttelt der Westen das demokratische Haupt. Nein, so was aber auch! Das geht doch nicht. Wo bleibt denn da die demokratische Legitimation? Wie kann man denn mit solchen Wahlfälschern noch verhandeln und vor allem Handelsverträge beschließen? Oh – man kann, man kann! Was interessiert den Westen denn ein gefälschter Wahlzettel in Moskau, solange das Erdgas pünktlich ankommt? Fürs Volk macht man auf den Nachrichtenkanälen ein bisschen Rabatz und das war's. Dieses nickt erfahren und verständnisvoll: Ja, ja, diese Russen...!
Die Aufregung, als die Amerikaner bei der Wahl des dressierten Affen George Bush jr. in Florida staatlichen Wahlbetrug betrieben hatten, war weitaus geringer gewesen. Aber just sie zeigte mit anatomischer Präzision auf, was das Wort „Demokratie“ in einer vom Kapital beherrschten Welt bedeutet: nichts als eine hübsche Illusion, die dem doofen Volk vorgaukeln soll, es habe irgendwie ein bisschen mitzubestimmen.
In Russland wird dieses miese Geschäft nur offener und ehrlicher betrieben. Dort richtet sich das Possenspiel auch nicht hauptsächlich an die eigene Bevölkerung, die das mehrheitlich auch einen feuchten Kehricht interessiert. Adressiertes Publikum des Theaterstücks aus dem Bolschoi-Theater (Großes Theater) Russland ist die Bevölkerung des Westens. Das Reich des russischen Bären soll für den westlichen Plebs satisfaktionsfähig werden, was es bestenfalls noch vor der Oktoberrevolution war. Das aber interessiert die Industriekapitäne und Wirtschaftsmagnaten nicht einmal peripher. Die wissen längst wie der Hase läuft und eines ist klar: je stabiler die Macht in den Händen eines ihnen bekannten Zaren liegt, der alle Qualitäten eines Machers hat, desto sicherer sind ihre Geschäfte. Die Hunde bellen, die Wölfe heulen und die Kinder weinen – also alles wie gehabt. Mütterchen Russland – kein Grund zur Sorge – schlafe schön weiter!

21. Volumen
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