Baaks

zurück zum Landboten

 

Verkäuferin gesucht – auch ungelernt

Don M. Barbagrigia
„Verkäuferin gesucht – auch ungelernt“. Dieses Schild prangt Ende März an einer der beiden verbliebenen B.er PLUS-Marktfilialen.
„...auch ungelernt.“ Da meint es aber einer wirklich gut mit den arbeitslosen Frauen. Wer ist dieser jemand? PLUS etwa, an dessen Scheibe die Einstellungsofferte klebt? In B. sind aktuell bis auf zwei Märkte alle Plus-Kaufhallen in NETTO-Läden umgewandelt worden. Das Sortiment hat gewechselt – das Personal offensichtlich auch. Dem langjährigen PLUS-Kunden ist bei beidem nicht recht wohl.
Nun war schon PLUS selbst kein philanthropischer Verein. Wie die mit ihrem Personal umsprangen, das war schon teilweise nicht mehr feierlich. Aber nun gut. Netto scheint noch eins draufzugeben. Zum ersten fällt die hohe Fluktuation der ehemaligen PLUS-Mitarbeiterinnen im Ladengeschäft auf. Den Landboten sind einige Damen bekannt, die postwendend krank wurden oder sogar von sich aus kündigten, obgleich sie noch keine alternative Arbeitsstelle gefunden hatten. Und wir erfahren, warum NETTO „...auch ungelernte“ Arbeitskräfte sucht. Vielleicht nicht „auch“, sondern „gerade“? Altgediente PLUS-Verkäuferinnen aus B. werden für vier Stunden Arbeit (4!!!) ins 150 km entfernte H. geschickt! Wie die Frauen dorthin kommen sollen, da sie teilweise weder ein Auto noch eine Fahrerlaubnis haben, ist den Bossen scheißegal. Wenn den Frauen das nicht passt, können sie doch kündigen, nicht wahr. Behandelt man so Mitarbeiter, an deren weiterer Mitarbeit Interesse besteht? Aber warum ist der Firmenleitung offensichtlich an einem Fortbestand der Arbeitsrechtsverhältnisse nicht gelegen? Ein Motiv könnte sein, dass die langjährigen Mitarbeiter natürlich auch die teuersten sind. Da sind die alten Löhne von gelernten Fachverkäuferinnen, ihre Tarife, ihre … Abfindungsansprüche? Setzt man sie deswegen nicht so ohne weiteres vor die Türe, sondern erhöht den Druck auf sie auf sublime Weise? Macht man ihnen deshalb das Leben unsinnig schwer? Wer von selbst geht, hat keinen Anspruch mehr auf Abfindungen. Die neuen NETTO-Bestimmungen sagen: Wer an der Kasse sitzt, sitzt an der Kasse und hat nicht auszupacken oder sonst irgendwo im Laden umher zu wuseln. Es steht zwar gerade keiner an der Kasse an, die Arbeit ruft an den Regalen – aber, die Verkäuferin kann nichts tun. Die Weisung bindet sie an der Kasse. Dafür darf sie früher kommen und später gehen, ohne dass diese Zeit ihrer Arbeitszeit zugerechnet wird. Ihre Schicht endet um 14:00 Uhr? Die Ablösung kommt erst um 16:00 Uhr? Wen stört's? Ihre Vorgesetzten kaum. Muss sie halt bis 16:00 Uhr dableiben. Ist eben so. Das sind Arbeitsstunden? I wo! Freiwillige Aufbauarbeit. Permanenter Subotnik. Oder ein Fall ungesetzlicher Ausbeutung?
Aber warum das alles? Wie alle Billigketten, so tutet natürlich auch NETTO in das Horn, das ginge alles gar nicht anders, wenn man die traumhaft billigen Preise halten wolle. Der Kunde verlange nach eben diesen Tiefpreisen. Tut er das? Oder ist es nicht vielmehr so, dass die sogenannten Discounter in ihrem gnadenlosen Konkurrenzkampf die Preise längst nicht mehr über innovative Ideen immer weiter nach unten drücken, sondern über ihre Personalkosten? Und ist es nicht so, dass weniger der Kunde diese Preise verlangt, als dass sie ihm vielmehr offeriert werden, wie man einem kleinen Kinde Schokolade anbietet? So wie jenes nicht widerstehen kann, so wenig wird auch der normale Kunde diesen Angeboten auszuweichen in der Lage sein. Der durchschnittliche Nackte Affe denkt just bis zum Horizont seines Geldbeutels und nicht an die nationalökonomischen Konsequenzen. Die Discounter wissen das nur allzu gut. Denn sie denken weiter. Zwar auch nicht bis zu den landesweiten Konsequenzen – Gott bewahre – aber eben weiter. Sie denken an Shareholder Value. An Maximalprofit. An Kasse! Und da kommen ungelernte Arbeitskräfte gerade recht. Sie sind schön billig, sie sind meist alternativlos und daher berechenbar gefügig und hochprozentig unausgebildet sind sie oft auch noch. Selbst wenn die sich gegen die Galeerenbedingungen auflehnen wollten, die wüssten nicht mal, wie und wo anfangen. Also alles in allem ideale Arbeitnehmer. Die alten Römer lehrten die Fragestellung „Cui bono? Wem nützt es?“ Die Antwort dürfte in diesem Falle nicht schwer zu finden sein.

13. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
25.03.2009