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Botschafterin der Musik
Ulrike Range ist neue Orchesterdirektorin bei den Brandenburger Symphonikern

Michael L. Hübner
Brandenburgs Symphoniker sind schon jetzt ein kultureller Exportschlager der Havelstadt. Sie haben durchaus das Zeug zu einem Kulturbotschafter der Metropole in der Mark, die leider noch recht unzureichend vom Land unterschieden oder wahrgenommen wird. Dazu aber sind nicht nur äußerst engagierte Musiker und ein hervorragender Dirigent auf Dauer vonnöten, sondern darüber hinaus jemand, der sich ausschließlich um alle organisatorischen Belange des Klangkörpers kümmert. Eine Führungskraft, die an der Zusammenstellung des Spielplanes mitwirkt, die sich um Gastauftritte bemüht, Kooperationen organisiert, und, und, und… Das könnte zum Beispiel eine Orchesterdirektorin sein. Und siehe, seit jüngstem besitzt das Brandenburger Orchester eine solche. Von der Berliner Komischen Oper kam sie herüber, die sehr charmante Ulrike Range. Denn die Berliner wollten ihr Orchester mehr und mehr dem Opernbetrieb unterordnen, die Musiker sollten wohl nur noch aus dem Orchestergraben heraus zu hören sein. Nein, das entsprach nicht so den Vorstellungen der Ulrike Range. Denn die zierliche Pfarrerstochter aus dem niedersächsischen Groß Ilsede weiß ziemlich genau, was sie will. Dass sie nämlich aus der welfischen Provinz stammt, sollte niemanden über ihre immense internationale Erfahrung und Weltläufigkeit hinwegtäuschen. Zwar besuchte die sehr frankophile Ulrike in Groß Ilsede noch das neusprachlich-naturwissenschaftliche Gymnasium, lernte auch die Blockflöte spielen und die Trompete im heimatlichen Posaunenchor zu blasen, auch das Klavier und die Orgel für den Gottesdienst kunstvoll und examiniert zu traktieren, aber gleich nach dem Abitur 1976 kehrte sie dem Vaterhaus den Rücken. Und zog gleich richtig weit weg. Nach Japan, zu einer japanischen Gastfamilie nördlich von Tokio. Das war damals noch etwas ganz Besonderes, sowohl für die Japaner als auch für sie. Anfangs sprach Range san kein Wort japanisch, die Gasteltern kein Englisch, geschweige denn Deutsch. Aber der wache Geist der Wahljapanerin fand sich schnell in die neuen Gegebenheiten rund um den Fuji. Das ging so gut, dass sie kurze Zeit später sogar in Osaka Sozialarbeit für Obdachlose leistete und an der Uni Kobe Kurse in Soziologie und Pädagogik absolvierte. Die Rückkehr nach Deutschland führte sie sodann über Hongkong, Südkorea, Afghanistan und Indien. Die große Neugier auf die Lebensweise fremder Völker ließ sie nach erfolgter Heimkehr neben einigen Semestern Japanologie auch folgerichtig Ethnologie mit dem Schwerpunkt Musikethnologie studieren. Denn mit der Musik hatte sie es nach wie vor. Als Ethnologin an der Uni bleiben, nachdem sie 1985 ihren Magister in der Tasche hatte, das war ihr aber denn doch nichts. So entschloss sie sich, ihr Hobby zum Beruf zu machen. Selber Musizieren? Nein, aber Musik organisieren, das war ihre Leidenschaft. Zu diesem Zeitpunkt aber existierte das Berufsbild des Kulturmanagers noch nicht und so griff sich die Selfmade-Organisatorin das Berliner Telefonbuch und landete schließlich beim Verband deutscher Musikerzieher und Konzertierender Künstler. Das war dann quasi ihre zweite Lehrzeit: Sie organisierte die Bachtage Berlin, das Studio Neue Musik und den Bundeswettbewerb Gesang, setzte Musikpädagogische Akzente und betrieb eifrig die musikalische Nachwuchsförderung. 1988 aber ereilte sie der Ruf des Jeunesses Musicales Weltorchesters, dessen Sekretariat sie fortan leitete. Aus dieser Zeit rühren ihre unglaublich vielen Kontakte zu Musikern in aller Welt. Wo sie auch hinkommt, immer ist da ein Musiker, der in irgendeiner Sprache dieser Welt sagt: „Hallo Ulrike, schön Dich zu sehen!“ …und das auch so meint! Das ist fürwahr ein gewaltiges Kapital, welches sie als Morgengabe ans Brandenburger Haus mitbringt. Apropos Morgengabe. Ihr Lebensgefährte lehrt und arbeitet in Nordfrankreich. Da hatte sie es etwas näher, als sie 1993 dem Ruf des Philharmonischen Orchesters einer der europäischsten Städte, Straßburgs nämlich, folgte. Dort leitete sie die künstlerische Organisation bis dann das Heimweh nach Berlin doch wieder zu groß wurde. Auch der Name der weltbekannten Komischen Oper lockte gehörig. In Berlin aber hieß es, eine klare künstlerische Abgrenzung zu den sieben anderen existierenden Orchestern herauszuarbeiten. Nicht eben leicht. Doch auch dieser Aufgabe stellte sich Ulrike Range mit Erfolg. Es machte ihr Freude, sicher, bis ihr eben das Orchester mehr und mehr abhanden kam. Durch die per Hausentscheid geänderten Prämissen bekam sie den Klangkörper kaum noch frei für Tourneen und Gastspiele. Aus der Zeit an der Komischen Oper aber baute sie so manche Beziehung auch zum Brandenburger Musentempel auf. Als sie dann in einer Fachzeitschrift las, dass man in Brandenburg an der Havel eine Orchesterdirektorin suchte, griff sie beherzt zu. An der Havelstadt war sie lange Zeit nur in der Eisenbahn sitzend vorbeigefahren. ‚Das ist aber ein hübsches Städtchen’, dachte sie, aus dem Abteilfenster zum Dom hinüber schauend. Nun wird sie in der neuen Wahlheimat ihre Zelte aufschlagen und dann mit dem Fahrrad auf Entdeckungstouren gehen. Darauf freut sie sich schon besonders. Und Brandenburg an der Havel freut sich auf seine neue Orchesterdirektorin, die in der Musikwelt Brandenburgs neue und kraftvolle Akzente setzen wird.

13. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2008
25.11.2008