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Flugplatz oder E-Kraftwerk
Schwere Entscheidung am Briester Fliegerhorst

 


Das Flugfeld des Fliegerhorst' Brandenburg-Briest EDUB nach Nordosten

Michael L. Hübner
Es gab eine Zeit, da schien in der Chur- und Hauptstadt alles möglich. Die Wirtschaft brummte, die Schornsteine rauchten. Brandenburg an der Havel war Boomtown. Für diesen ratternden Wirtschaftsmotor war um die Zeit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert die beste Infrastruktur gerade gut genug: Zwei Fernstraßen durchzogen die Stadt, später kam noch die wichtigste Ost-West-Autobahn dazu, der Silokanal wurde grandios erweitert, Brandenburg an der Havel war Drehkreuz des Eisenbahnverkehrs. Durch die Stadt zuckelte eine Elektrische. Aber das Dollste lag vor den Toren, in der Nähe des Dörfchens Briest: Seit 1912 gab es in Brandenburg an der Havel einen Flugplatz. Zu einer Zeit, da selbst ein Automobil nur den Reichsten der Gesellschaft vorbehalten war und Flugzeuge den Seltenheitswert einer Blauen Mauritius besaßen, dachte Brandenburg an der Havel an die Zukunft und richtete einen Flugplatz ein.
Zwei unselige Kriege, eine Weltwirtschaftskrise und vier Jahrzehnte Planwirtschaft setzten der einstigen Wirtschaftsmetropole Brandenburg an der Havel hart zu. Doch der Flugplatz blieb. Das Militär hatte sich seiner bemächtigt. Und gleichwohl oder weil der Fliegerhorst Briest direkt unter einem der drei nach Westberlin führenden Luftkorridore lag, war er den Luftstreitkräften/ Luftverteidigung der DDR viel zu wichtig um ihn aufzugeben. Bis 1994 sah das auch die Luftwaffe der Bundesrepublik so. Als sich dann aber die folgenschwere Entscheidung abzuzeichnen begann, die dreihundertjährige Militärtradition der Stadt Brandenburg an der Havel zu beenden, verlor auch die Luftwaffe ihr Interesse und überließ den Flugplatz mit all seinen Bauten und Anlagen einer zivilen Nutzung. Prinzipiell war dies ein unglaublicher Glücksfall für die Stadt. Das war wie der Kreuz-Bube im Skat. Der Wert einer industriell ambitionierten Stadt richtet sich erfahrungsgemäß zu einem erheblichen Teil nach dem Potential und dem Ausbau ihrer Infrastruktur. Auf die Erfordernisse der Moderne übertragen bedeutet dies: Eine Industriestadt mit günstiger Fluganbindung ist eine interessante Stadt. Umkehrschluss erlaubt.
Nun hat der Sonderlandeplatz Briest sicher nicht das Zeug zum International Airport. Das ist auch nicht der Sinn der Sache. Das können Berlin und Leipzig leisten. Als Ziel für Flugzeuge mit bis zu 14 Tonnen Startgewicht ist die 1.500m lange Start- und Landebahn aus Beton jedoch bestens geeignet. Cessnas, Learjets, aber auch Ballons und Luftschiffe können den Flugplatz problemlos nutzen. Deren nächste Start- und Landemöglichkeit ergäbe sich erst in Magdeburg, Stendal oder eben – Berlin. Diese Kapazität macht Briest für die Industrie sowohl als auch für den Kleintourismus so überaus attraktiv. Manager und Industriekapitäne können mal eben in Briest landen und sind in ein paar Minuten in der Stadt. Hobbyflieger, welche die zauberhafte Havellandschaft überfliegen, haben die Möglichkeit die Stadt kurzentschlossen zu besuchen. Einigen wurde die Domstadt überhaupt erst auf diesem Wege bekannt. Bei schönem Wetter frequentieren pro Tag bis zu drei Maschinen den Flugplatz, wie der gebürtige Kirchmöseraner Hans-Georg Sprecher, einer der beiden Gesellschafter der Flugplatz Brandenburg-Briest Verwaltungs GmbH, erklärt. Nach Erweiterung des Schengener Abkommens kommen bereits Maschinen aus Großbritannien, Frankreich, Finnland, Schweden, Holland, Polen und Tschechien. Noch besitzt der Flugplatz die entsprechenden Lizenzen. Noch kann die Stadt zukunftsträchtiges Kapital aus diesem Erbe schlagen – denn die Investition in eine Luftverkehrsanbindung ist eine Investition in die Zukunft. Sollte jedoch die SolarTec AG, die das Gelände vom ehemaligen Besitzer, dem Bund, erwarb, ihre 80MW-Fotovoltaik-Freiflächenanlage dorthin platzieren, ist der Traum vom eigenen Flughafen fürs Erste ausgeträumt. Die Wiederherstellung des Flugplatzes wäre zwar prinzipiell nicht unmöglich, da die Solar-Elemente nur aufgeschraubt werden. Zunächst aber müsste sich die Anlage, die nach Plänen des Betreibers Ende 2010 ans Netz gehen soll, amortisieren. Das Schlimmste aber wäre, dass der Flugplatz alle Lizenzen verlöre und diese erst neu beantragt werden müssten. Die Bedingungen für eine Neuzulassung wären ungleich härter als die Bestandswahrung.
Brandenburg hatte bereits den Verlust des ICEs verkraften. Ein harter Schlag in Richtung Zweitrangigkeit. Und ein Impuls in die verkehrte Richtung: Je dünner die urbane und periphere Infrastruktur einer Stadt ist, desto unattraktiver wird sie für ansiedlungswilliges Kapital. Je weniger produzierendes Gewerbe eine Stadt an sich zu binden vermag, desto weniger Arbeit kann sie bereitstellen. Leistungsfähige und junge Leute wandern ab. Das Steueraufkommen sinkt. Es können weniger Mittel bereitgestellt werden, um die Stadt Investorenfreundlich zu gestalten usw. Ein Teufelskreislauf. Die örtlichen Feuerwehren und die Polizei nutzen den Fliegerhorst als Trainingsgelände. Zudem stellt das Flugplatzgelände einerseits ein kaum bis gar nicht betretenes Biotop dar, andererseits bietet die weiträumige Fläche drei bis vier Mal im Jahr die Möglichkeiten eines Open-Air-Veranstaltungsgeländes. Flugschauen, Oldtimertreffen, Konzertveranstaltungen…der Rahmen der Nutzungsvarianten wäre beinahe beliebig dehnbar. Die Genehmigungssituation ist optimal. Auch diese Optionen sollten nicht außer Acht gelassen werden. Die Stadt steht weniger vor der Entscheidung, ihren Flugplatz Briest als solchen zu erhalten oder aber ihn aufzugeben. Sie muss stattdessen die Weichen für eine investitionsfreundliche Zukunft stellen oder sie läuft Gefahr, endgültig von der Wirtschaftsentwicklung abgekoppelt und auf einem provinziellen Nebengleis abgestellt zu werden. Auch im Hinblick auf die künftigen Generationen wäre eine solche verpasste Chance schlichtweg fatal und kaum zu verantworten.

13. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2008
24.09.2008