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An den Herrn Bundesbeauftragten für den Datenschutz

Sehr geehrter Herr!

Im sogenannten Hausarztmodell sehen wir einen Versuch, eine der Festen des Datenschutzes gerade bei bildungsfernen und leichtgläubigen, sowie bequemen Versicherten zugunsten merkantiler Erwägungen zu Fall zu bringen.
Wir beziehen uns dabei auf das Ihnen sicherlich bekannte Formblatt der Einwilligungserklärung zu datenschutzrechtlichen Bestimmungen der Barmer Ersatzkasse.
Wir bitten Sie, unseren nachfolgenden Artikel zur mutmaßlichen Unterwanderung des Datenschutzes durch das Hausarztmodell auf seinen Aussagegehalt zu prüfen, da es uns ferne läge, ungerechtfertigte Beschuldigungen zu erheben.
Wir gestatten uns Ihnen die notwendige kritische Distanz zu unterstellen, die uns ein Garant für eine objektive Beurteilung darstellt.

Für Ihre Mühen danken wir Ihnen verbindlichst
B.St.Fjøllfross


Krankenkassen contra Datenschutz

Don Miquele Barbagrigia
Wenn Belagerer zu früheren Zeiten eine Festung stürmen wollten, so schickte man nicht selten sogenannte Mineure an die Mauern, die sich unterirdisch mit Stollen an die Kampflinie heranbuddelten, durch ebenjene Minen die Stabilität der Mauern verringerten und die Festungswerke im Idealfalle zum Einsturz brachten. War die Bresche erst geschlagen, dann konnten die Angreifer oft ungehindert in das Objekt ihrer Begierde stürmen und den letzten Widerstand der Verteidiger im Handumdrehen brechen.
Seit Kurzem bieten einige Krankenkassen ein sogenanntes Hausarztmodell an.
Die Versicherten werden zur Teilnahme an der Integrierten Versorgung durch Hausärzte und Hausapotheker – wie das Modell korrekt heißt – ermuntert, indem man ihnen offeriert, daß sie, statt einmal pro Quartal € 10,- „Praxisgebühr“, diesen Zwangsobolus nur noch einmal pro Jahr entrichten müssen.
Das hört sich doch schon mal überaus verlockend an, zumal wir Zeiten entgegensehen, die deutsche Geldbeutel zu Hunderttausenden schrumpfen lassen.
Immerhin wird hier eine satte Ersparnis von € 30,- pro Jahr in Aussicht gestellt.
Doch wer die Welt begriffen hat, in der er lebt, weiß, daß niemand etwas verschenkt, daß es nichts – aber auch gar nichts umsonst gibt.
Wenn wir diese Erkenntnis unserer weiteren Betrachtung zugrunde legen, dann stellt sich die Frage, wer was dabei wirklich gewinnt. QVI BONO – lehrten uns diesbezüglich die alten Römer.
Die dreißig Euro pro Nase und Jahr können wir Versicherten getrost als Köder betrachten, bei denen der gierige Fisch anbeißt, um hernach in der Pfanne zu landen. Der Angler ist also letztendlich Derjenige, der den finalen und größten Nutzen von der Geschichte hat.
So sollten wir also, ehe wir uns einen sperrigen Haken – listig ummantelt von einem Dreißig- Euro- Wurm – in den Rachen stopfen, schauen, wer am anderen Ende der Angel sitzt.
Ein Indiz liefert uns ein Formblatt der Barmer Ersatzkasse zur „Einwilligungserklärung zu datenschutzrechtlichen Bestimmungen“, was den potentiellen Teilnehmern am Hausarztmodell zur Unterschrift vorgelegt wird. Da ist im Kopf die Rede davon, daß diese Integrierte Versorgung Bestandteil eines Abkommens zwischen der BARMER, der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft eG und der Marketinggesellschaft Deutscher Apotheker ist.
Aha!
Nun besehe man sich das Formblatt weiter:
Da steht: „Ja, ich bin mit der medizinischen Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung durch meinen Hausarzt und meine Hausapotheke im Rahmen meiner Teilnahme einverstanden. Nachfolgendes ist mir bekannt: …“
Und jetzt folgen sechs Stichpunkte, von denen drei alle Kriterien der oben erwähnten Unterminierungsstollen erfüllen. Die Festung, die hiermit peu a peu und klammheimlich attackiert wird, ist das Persönlichste, was sich im Leben eines Individuums denken läßt – das unumschränkte Verfügungsrecht über die eigenen Gesundheitsdaten.
Das können sie kaum glauben? Na dann, zitieren wir:
• Meine Daten können, sofern sie zur Erfüllung der sich aus der Integrierten Versorgung ergebenden Aufgaben dienen, unter den beteiligten Leistungserbringern ausgetauscht werden.
• Die von mir gewählte Apotheke legt eine Patientendatei (Name, Geb. –Datum, Adresse, Tel., Krankenkasse und ggf. weitere von mir freiwillig mitgeteilte Angaben zu meinem Gesundheitszustand) und eine Medikationsliste (aktuelle und fortlaufende Medikation) für mich an. (Nota bene: Für mich! Das tun die für mich! So ganz umsonst und ich spare noch dabei! Sind die lieben Leute nicht reizend!!!)
• Meine Krankenkasse oder ein von ihr beauftragtes Institut (Adreßweitergabe) kann mich schriftlich zur persönlichen Lebensqualität und Zufriedenheit befragen.

Und jetzt wagen Sie es und streichen Sie den ganzen unverschämten Schmonzes durch! Was wird passieren? Sag ich Ihnen: Ruckzuck sind sie raus aus dem Programm! Wer meutert, zahlt den ganzen Bimbes!
Und die freundliche Dame von der Krankenkasse erklärt Ihnen mit honigsüßer Stimme, niemand werde zur Teilnahme an diesem Programm gezwungen.
Niemand? Wie sieht’s denn aus mit den „Hartz –IVern“, den armen Teufeln, den Habenichtsen, die kaum noch etwas zum Leben besitzen und auf jeden Cent achten müssen? Und deren Anzahl täglich steigt!
Nun höre ich den ein oder anderen unter Ihnen sagen: „Ach was! Ist doch nicht die Welt, was die von einem wollen. Unterschreib’s halt und basta! Ist doch sogar schön, wenn die sich so um einen kümmern! Und der liebe Onkel Doktor, die Frau Apothekerin und die netten Leute von der Krankenkasse meinen es doch nur gut mit dem Patienten. Alle wissen über ihn Bescheid und können sofort und umfassend helfen. Was auch sonst? Die haben doch alle nur Tag und Nacht das Wohl des Versicherten im Sinn!“
So, jetzt langt’s! Diesen Schwachsinn hält ja kein Mensch aus – jedenfalls kein einigermaßen klarsichtiger!
Gut ist es nur für Leute, die das Erwachsenwerden verpaßt haben und die sich immer noch nach der glücklichen Zeit in der Wiege sehen, umstanden von lauter lieben Onkels und Tanten, Mama und Papa, Oma und Opa, hullelulle Eierkuchen – und alle meinen es ja sooo gut mit dem kleinen Wonneproppen und wissen auch ganz genau, was das Beste für ihn ist.
Quatsch! Wir erinnern daran, daß in dem Kopf des oben zitierten Formulars nicht von Opi und Omi, von Onkel Doktor und Tante Apothekerin die Rede ist, sondern von einer Marketinggesellschaft. Marketing bedeutet „Kohle machen!“ – und das geht nur, wenn einer zahlt. Nur dann kann ein anderer den Zaster einstreichen!
Der Patient wird zum gläsernen Patienten. Jeder von denen, die an ihm verdienen, weiß alles über ihn und an welcher Stelle er optimal anzuzapfen ist, respektive an welcher Stelle man die Kosten limitieren kann. Sogar schriftlich ausquetschen muß er sich lassen. Und die Kasse, die will schließlich auch von dem Versicherten ihr Auskommen haben. Das gilt besonders für einige Kassenbosse, wie wir seit dem letzten Gehälterskandal wissen. Prämienzahlung für „erfolgreiche“ Chefs lassen sich jedoch unter anderem nur unter der Voraussetzung durchdrücken, daß die Krankenkassen die Beiträge ihrer Versicherten möglichst ungeschmälert behalten können. All zu teuer sollte das Medikament also nicht sein, oder die Zahnbehandlung, die Therapie, die Diagnostik... Geht doch ganz sicher auch ’ne Spur billiger, nicht wahr? Zusammen mit Hausarzt, Apotheker und Pharmaindustrie kriegen wir das schon gebacken! Vor allem, wenn jetzt jeder alles über den Kranken weiß. Da können sich auch alle gegenseitig auf die Finger schauen. Das ist nicht nur fein, das ist auch höchstnotwendig. Denn Vertrauen ist Blödheit und Kontrolle essentiell! Der Hausarzt, der es wirklich noch gut mit seinem Patienten meint, wird gnadenlos von seinen Partnern beim Projekt ausgebremst, wenn er über die Stränge schlägt.
Und nun noch zur Patientendatei, die die Apotheke anzulegen beabsichtigt: Was zum Teufel geht eine Apotheke mein persönlicher Datenpool an? Die sollen mir meinen Hustensaft verkaufen oder mein ärztliches Rezept bedienen und sonst gar nichts.
Aber schon klar! Je mehr Teilnehmer am Hausarztmodell, desto effizienter läßt sich das Angebot strukturieren. Man weiß ja jetzt, wer was bekommt und braucht sich die Regale und Lager nicht mehr mit überflüssigen Kalkulationsrisiken vollzuballern. Außerdem hat man eine persönliche Stammkundschaft nicht nur gewonnen, sondern sogleich fest an sich gebunden. Schöne neue Welt! Das Prinzip Kundenkarte vom Supermarkt stand Pate, nicht wahr?
Nur, hier wird Schindluder mit dem medizinischen Ethos getrieben.
Wenn der Rabattkartenvertreiber noch mit ein paar ehrlichen merkantilen Vorteilen wirbt, so wird hier dem Patienten vorgegaukelt, die jeder Kritik entzogenen, über jeden Verdacht erhabenen Weißgewandeten würden sich nur um sein Wohl Gedanken machen. Das ist eine infame Falle – denn gerade die Kranken sind für jedes Hilfsangebot oft mehr als dankbar und damit leicht zu überrumpeln.
Darum Augen auf, Verstand gebraucht und fort mit dem Gelumpe in den Reißwolf! Es sei denn, man gefällt sich darin, von windigen Zeitgenossen in honettem Gewande und mit verbindlichem Lächeln hofiert zu werden, auf daß man zum melkenden, dümmlich widerkäuenden Rindvieh degradiert werde, dessen Existenz gerade solange von einigem Interesse ist, wie man es auch nur ansatzweise ausquetschen kann.

5. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2005