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Sprache 3

Über die geistlosen Kunstwörter

K. K. Bajun
"Hast du mal eben mein Handy gesehen? Ich muß kurz mal in der Kita anrufen. Ich kann die Kiddys erst später abholen. Muß vorher noch was wegen meinem Bafög klären. Was die Typen da in letzter Zeit abziehen, ist echt uncool. Die haben mich schon genauso gestresst, als ich noch Azubi war."

Sechs ganz normaler Sätze? In Westdeutschland wird wohl niemand an diesen sprachlichen Ungetümen Anstoß nehmen. Man empfindet diese Unmöglichkeiten weitestgehend als normal. Diese unselige Tendenz beginnt nun auch in Mitteldeutschland um sich zu greifen. Herr Rauh (siehe unten: Literaturhinweise) würde es wohl sehr treffend DUMMDEUTSCH nennen. Und mit was?

Mit Recht!

Es dürfte nicht an den Haaren herbeigezogen sein, daß wir das Eingangsbeispiel von einer mutmaßlichen Studentin sprechen lassen (als Leistungsbezieherin gemäß dem Bundesausbildungs- und Förderungsgesetz (BaFöG) liegt es nahe, daß die Sprecherin zur Ausbildungselite Deutschlands zählt.) Und schon dieser Umstand kann einen das Fürchten lehren.

Es ist die von mir schon so oft zitierte rasenlatscherische Gedankenlosigkeit, die zu einem derartigen Bombardement auf die deutsche Sprachkultur führt.

Ein Handy! Was zur Hölle ist das? Zunächst einmal ein Kunstwort. Erfunden von Deutschen, die ein dem Englischen entfernt ähnlich klingendes Gebrabbel für fundierte Sprachkenntnis halten und diesen Ausdruck sprachlicher Inkompetenz zwanghaft dem deutschen Sprachschatz einzuverleiben suchen. Kein Engländer, wenn er denn nicht mit den Macken des Deutschen Michels eingehend vertraut sein sollte, wüßte mit dem Begriff etwas anzufangen. Er könnte es nicht einmal mit "handlich" übersetzen, dieweil er dafür schon den Begriff "handsom" parat hätte. Es ist Sprachmüll - sonst gar nichts!

Und dabei ist es ja nicht so, daß die deutsche Sprache keine adäquate Möglichkeit böte, das kleine Gerät treffsicher zu beschreiben: Das Mobil- oder Funktelephon wäre beispielsweise angebracht. (Wir wollen an dieser Stelle nicht den fanatischen Gralshüter der deutschen Sprache herauskehren und auf einem Funkfernsprecher bestehen.) Aber Handy?! Ein miserables Wort. Scheinbar einer anderen Sprache entlehnt und doch nur die Ausgeburt von hirnlosen Wirrköpfen. Um so beunruhigender ist die rasende Verbreitung, basierend auf einer ebenso gedankenlosen Akzeptanz, die dieses Wort gefunden hat.

Und von wo nun will unsere junge studentische Mutter ihre Kinder abholen? Aus einer KITA! Das ist die Abkürzung für Kindertagesstätte. Der gute, alte Kindergarten Fröbels und Pestalozzis hat ausgedient. Zumindestens im deutschen Sprachraum. Wunderbarerweise hat er sich im Englischen erhalten. Kindergarten klingt ja auch viel menschlicher. Nicht so nach Bewahranstalt, Heilstätte, Opferstätte. Woher kommen diese kuriosen Abbreviaturen, die wir doch sonst nur aus dem Russischen gewohnt sind?

Es muß wohl dieser Zwang gewesen sein, sich während der deutschen Teilung vom bösen ostelbischen Volksgenossen ums Verrecken abzugrenzen. Was da an Logorrhoe (Sprachdünnschiß) fabriziert wurde, ist schon nicht mehr feierlich.

Daher bezieht unsere Studentin natürlich auch kein Stipendium. Das bekamen ja ihre ost- und mitteldeutschen Kommilitonen. So blieb ihr nichts übrig als Bafög zu beantragen. Was? Sie reichte einen Gesetzesantrag ein? Doll! Denn nichts anderes bedeutet das Wort Bafög. Wie oben erläutert, handelt es sich um ein Gesetz, das die Bezüge von Studierenden und anderen Auszubildenden regelt. Nicht Lehrlingen! Kommen Sie da nicht auf's falsche Geleise! Die gibt es in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr! Es sind nun Auszubildende. Was an dem Begriff Lehrling so entwürdigend ist, habe ich noch nicht herausgefunden. Wahrscheinlich nur der Umstand, daß er einer langen Tradition entstammt. Aber das Wort "Auszubildende/ Auszubildender" ist der Mehrzahl des "PISA"-geplagten deutschen Volkes wohl doch nicht mehr zuzumuten. So gönnen wir den armen Wichten das unsägliche "Azubi". Ist doch cool, oder? Nein, sie brauchen sich kein Sweatshirt (oder Nikki, rsp. Jersey, wie der gediente Ostdeutsche zu sagen pflegte) überzuziehen. In diesem Falle ist nicht von der Umgebungstemperatur die Rede. Hier geht es um kühles, abgeklärtes, furchtloses und unerschrockenes Verhalten im Angesicht einer bedrohlichen Situation. Wieder mußten die armen Engländer als Leihgeber fungieren. "The hero did stay cool as he saw the danger come. He didn't turn ballistic!" Das ist der Hintergrund.

Dieses Wort findet sicherlich in seiner Bedeutung auch im Deutschen auch seine Entsprechung. Man kann eine kühle Unterhaltung führen, die Blondine zeigt dem lästigen Verehrer gar eine kalte Schulter, unterkühlte Verhandlungen entbehren jeder Emotionalität, beschränken sich auf rein sachliche Fragen. Alles in allem behält man einen kühlen Kopf.

Warum reicht den Deutschen nun aber ihr eigener Sprachschatz nicht mehr aus? Warum bevorzugen viele Leute Anglizismen, wo sie doch diese ansonsten wundervolle Sprache nicht im mindesten beherrschen? Was bringen diese Stammler außer ihrer Dummheit, Unbildung und Gedankenlosigkeit noch zum Ausdruck?

Denn über das Folgende sollte sich jeder im Klaren sein, der seinen Mund zum Sprechen auftut:

Achte auf Deine Gedanken - sie werden zu Worten!

Achte auf Deine Worte - sie werden zu Taten!

Achte auf Deine Taten - sie werden zu Gewohnheiten!

Achte auf Deine Gewohnheiten - Sie werden Dein Schicksal!

Und wer da meint, er müsse sich über sein Los beklagen, der soll diese vier Glieder einer in beide Richtungen schlüssigen Kette als Richtschnur an sein alltägliches Verhalten anlegen. Was dann noch als nicht persönlich zu verantwortender Rest übrigbleibt, kann getrost als Schicksalsschlag bejammert werden.

Man möge sich als Sprechender immer vor Augen halten, daß die Art und Weise, wie man sich auszudrücken pflegt, ein glasklares Fenster in die Tiefen der Seele, des Hirnes, der Bildung und der Kultur darstellt, über die man verfügt. Das gesprochene Wort zeichnet also ein umfassendes Bild vom Sprecher. Und das widerspricht oftmals dem Anliegen der Selbstdarstellung, dem das Thema der Unterhaltung eventuell sogar dienen sollte.

Eloquenz und fesselnder Ausdruck können unbestreitbar im täglichen Leben zu großen Vorteilen verhelfen, so sie denn erlernt, gepflegt und nicht im Alltag sträflich vernachlässigt wurden. Guter Stil kann an der vielleicht entscheidenden Stelle bestechen, wie ein schöner Park inmitten wuchernder Wildnis. Gestotter und Gestammel hingegen verhelfen sicherlich zu einem Platz am Lagerfeuer der geistig Minderbemittelten. Nun soll jeder für sich entscheiden, welches Bild er von sich zu vermitteln sucht, wo er hingehören möchte.

Das geistlose Nachplappern sinnentleerter Phrasen deklassiert den sprechenden Menschen zu einem Stück Herdenvieh, das unfähig ist, einen individuell geprägten Charakter vorzutragen. Für einen Menschen - zugegebenermaßen ein geborenes Rudeltier - ist das nichtsdestotrotz ein erbärmliches Armutszeugnis. Denn es kündet von der Verschwendung des kostbaren Gutes, dessen sich ein Mensch wohl zu rühmen vermag: Des menschlichen Geistes und Verstandes. Wenn es fluchwürdige Gotteslästerung gibt, dann gehört ein solches Verhalten mit Sicherheit nicht zu den läßlichsten Blasphemien.

Sprache ist ein wertvolles Mittel der zwischenmenschlichen Kommunikation. Sie ist ein Erbstück, was wir von unseren Altvorderen schon während unserer Kindheit übereignet bekommen haben. Und wie jeder kostbare Gegenstand verdient auch sie eine verantwortungsvolle und sorgfältige Behandlung. Eine Mißachtung dieses Gebotes rächt sich bei den allermeisten Menschen über kurz oder lang sehr gründlich.

So sei denn jedem ans Herz gelegt, daß es auch eine Hygiene des Geisteslebens gibt. Wer nur seinen body (Körper) ziert und schmückt, mit Tattoos verunstaltet (tätowiert) und eincremt, ins Fitnesstudio rennt und/oder unter die "Sonnenbank" (Nuttentoaster), jedoch sein verbales Entäußerungsrepertoire vernachlässigt, der degeneriert zwangsläufig zur hohlen Nuß, von der letztendlich nicht mal die Schale übrigbleibt.

Wovor der HERR jede rechtschaffene Seele bewahren möge!

weiterführende Literatur

Deutsche Spracherziehung in der Schule von Sigismund Rauh,
Rösl & Cie. München, 1923

LTI - die Sprache des Dritten Reiches, Viktor Klemperer,
Reclam Verlag

Dummdeutsch von Eckhard Henscheid, Reclam Verlag Stuttgart 1993

vieles von Kurt Tucholsky und Karl Kraus

1.Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2003