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Hund und Katz

B. St. Fjøllfross
"Wir haben einen Hund!" "Nee, da wäre unsere Wohnung zu klein, wir haben nur eine Katze!"

Ja ja, schon klar - und wenn ihr könntet, würdet ihr noch einen Sklaven haben. Aber ihr habt weder das eine noch das andere. Flöhe vielleicht, oder Läuse - die kann man haben. Aber Hausgenossen?

Und wenn man damit die enge Beziehung zum Ausdruck bringen will, die man zum Tier fühlt, so leitet sich daraus noch lange kein Besitzanspruch her. Das Tier gehört einem nicht. Es ist kein Gegenstand, es ist eine lebendige Kreatur, gottgeschaffen, auch wenn der Gesetzgeber es als Sache klassifizieren sollte. Aber wer ist schon der Gesetzgeber? Man hat Verantwortung, aber keinen Hund, keine Katze, keinen Hamster, keine Ratte.

Warum ich so pedantisch mit dem Ausdruck bin? Weil er eine Geisteshaltung reflektiert. Weil er mich zum Kern des Themas führt.

Es ist sehr interessant für mich, die Charaktere von Hunde- und Katzen"besitzern" zu beobachten und von solchen, die sich mit Kleingetier oder Vögeln umgeben. Schon bei den Hundehaltern gibt es ja je nach Rasse des Tieres enorme Unterschiede. Auf "seinen" Hund kommt wohl kaum jemand durch Zufall. Es ist ebenso unwahrscheinlich, einen hartgesottenen Zuhälter in Gesellschaft eines Pinschers zu sehen, wie man wohl ein ältere Dame kaum in Begleitung eines Pitbull-Terriers oder einer Deutschen Dogge erwartet. Und schon wären wir mittenmang!

Es zeichnet sich doch hierbei deutlich und für jedermann leicht erkennbar ab, daß - den Typus der Alten Dame einmal ausgeklammert - sich viele Hundehalter über ihren Hund definieren. Sie deklassieren ihn also zu einem Teil ihres Images, wie etwa das Automobil vor der Haustür. Das soll nicht heißen, daß der Skinhead seinen Mastiff nicht aufrichtig lieben würde. Die gleiche Liebe aber bringt er seinen DocMartens, seinem tiefergelegten Golf und anderen Accessoires seiner Geisteshaltung entgegen. Alles Objekte seiner Selbstdarstellung - nichts weiter. Und das ist - in sicher abgeflachter Form - die Attitüde vieler Hundehalter.

Man sieht oft, wie kleinen, an sich häßlichen Mauerblümchen die kaum vorhandene Brust schwillt, wenn ihnen an der Leine ein vierpfotiger Berserker vorauseilt, der sie an Gewicht und Körpergröße um einiges übertrifft.

Menschen, denen das Befehlen über ihresgleichen oft versagt ist, schaffen sich im nicht hinterfragenden Rudeltier Hund einen gut funktionierenden Ersatz. Da muß einer gehorchen! Auf's Wort. Und einen dafür noch lieben. Wo's doch sonst kein anderer tut. Der Hund degeneriert zur Projektionsfläche der eigenen seelischen Insuffizienz.

Ich kenne wenige Ausnahmen. Aber ich kenne welche. Meinen Freund Reinhard G. zum Beispiel. Der Mann lebt und läßt leben. Und teilt sein Leben mit vielen Tieren. Gefiederten, vierpfotigen, kleinen und großen. Und keiner ist in irgendeiner Weise abgerichtet. Auch die Schäfermischlingsfähe Lana nicht. Und sie macht keineswegs einen unglücklichen Eindruck. Ich sage das nur, um Zeitgenossen den Wind aus den Segeln zu nehmen, die meinen, ein Hund ohne Zucht würde innerlich verkrüppeln. Hunde können ihren Job im Rudel ganz gut alleine erkennen und wahrnehmen - sie sind keine Kleinkinder.

Wie anders sind da "Katzenmenschen". Sie wissen oft von vornherein, daß ihre Lieblinge dressurresistent sind. Und sie akzeptieren es. Sie können akzeptieren. Dahinter stecken stärkere Naturelle als wir sie bei den großmäuligen und gewalttätigen Skinheads finden - die meist nur arme, unterentwickelte Würstchen sind.

Muskeln können Kraft vermitteln - nicht Stärke. Stärke, das bedeutet, die Andersartigkeit des Mitmenschen, der Mitkreatur anzuerkennen und sich mit eben dieser Andersartigkeit zum Wohle beider zu arrangieren. Der Skinhead und der Nationalsozialist scheitern schon am Arrangement mit dem Polen oder dem Juden, obwohl sie häufig beide kaum je zu Gesicht bekamen und erst recht nicht mit ihnen zusammenzuleben gezwungen sind.

Welch ein Unterschied zu Leuten, die ihr Leben beispielsweise mit Katzen teilen! Oder mit nicht zum Kadavergehorsam abgerichteten Hunden, mit Hamstern, Meerschweinen, Karnickeln und Schildkröten, ja sogar mit Aquarienfischen. Diese Menschen erleben oft in einer Minute mehr Glück als die armseligen Gestalten, die auf einen angewiesen sind, der unter ihnen steht. Der zu ihnen aufblickt. Der keinen eigenen Willen hat oder diesen bedingungslos unterordnet. Denn welche Freude liegt in dem Augenblick verborgen, wenn ein Tier zu dir kommt - nicht weil es muß, oder weil es dich als Rudelführer ansieht - sondern weil es dich liebt. Weil es dich von Gleich zu Gleich liebt. Einfach so. Weil es deine Nähe sucht. Weil du ihm vertraut bist. Weil es dir Liebe zurückgibt und keine Unterwürfigkeit. Das ist der Stolz der Freien!

Katzen wollen nicht herrschen. Katzen wollen nicht beherrschen. Sie gehen auf leisen Sohlen ihren Weg. Das macht sie mir sympathisch. Sie sind vorsichtig und trotzdem tapfer, eigensinnig und trotzdem anschmiegsam. Schmeichler? Das können nur blinde Idioten behaupten, die meist von sich selbst nicht mehr verstehen als von einer Katze - nämlich gar nichts! Eine Katze schmeichelt nicht. Hat sie nicht nötig. Das ist eine unzulässige Vermenschlichung ihres Verhaltens. Das ist eine unerlaubte Kategorisierung.

Und ohne dem Hund zu nahe treten zu wollen - er kann ja nichts dafür: Ein Grund, warum viele Menschen Hunden zugetan sind, mag in dem Opportunismus zu suchen sein, der beiden rudelgewohnten Raubtieren innewohnt. Diese Radfahrerhaltung: Nach oben buckeln, nach unten treten, bzw. beißen. Man gewärtige sich einen Hofhund. Wie er bis ans Hoftor ein Affentheater macht, wenn es nur ein Fremder wagt, vorbeizugehen. Er speit Gift und Galle, als würde er die Welt fressen wollen. Dabei geht es nur um die Verteidigung "seines" Reviers, seines Rudels. Wenn dann sein Rudel kommt, wird er freundlich. Naht sein Alphatier (Herrchen, Frauchen), fängt er gar zu jünseln an. Demutshaltung. Ohren nach hinten, klein machen, Rute zwischen die Hinterläufe. Das alles ist uns so vertraut. So einen Empfang hätten wir auch gerne, wenn wir als Direktor unsere Fabrik betreten. So sollen sie uns begrüßen, unsere Untergebenen, uns lieben, nur uns... Du sollst keinen Gott haben neben mir, denn siehe, ich bin ein eifersüchtiger Gott! Und die anderen, die Konkurrenz, die Feinde, die sollen sie hassen, ankläffen, vertreiben. Auf daß unser Besitz sicher sei und sich mehre - unseren Augen zum Wohlgefallen! Und wer wäre nicht gern ein kleiner Direktor, ein kleiner Gott, ein Mächtiger unter den Großen dieser Welt.

Das ist das Unglück der Katzen und des anderen Getiers, die sich nicht einfügen wollen in das Denkgebäude des Nackten Affen. Der Nackte Affe möchte gern selbst Souverän sein. Und das kann er nur, wenn er willige Kreaturen um sich schart, die ihn in dieser Position bestätigen. Andere Souveräne neben sich kann er nicht akzeptieren. Das wäre ja noch schöner! Das können eben nur wirklich starke Naturen.

Meine Rattenprinzessin, die kleine graue Sonne meines Herzens, war ebenfalls eine Vertreterin des Rudelwesens. Ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, ihr meinen Willen auch nur im Entferntesten aufzuobtruieren. Dazu hatte ich viel zu viel Respekt und Achtung vor dieser wundervollen, vierpfotigen Fee. Sie war ein Geschöpf ihres (und meines) Gottes. Demzufolge hatte sie SEINEN Auftrag zu erfüllen - nicht meinen! Und das tat sie perfekt. Ich war nicht ihr "Herrchen". Aber mir wurde die große Ehre zuteil, Ihr Gefährte sein zu dürfen. Somit war sie ein vollwertiges Mitglied der Familie, nie die Letzte in irgendeiner Rangordnung. Ihre Belange wurden, so gut es immer ging, voran gestellt. An ihren Bedürfnissen kam nichts vorbei. Natürlich mußte ich zu ihrem wohlverstandenen Schutz ihre Bewegungsfreiheit einschränken. Die Umgebung, in der sie lebte, war eine von Menschenhand geformte. Woher soll eine kleine Rattendame wissen, wie gefährlich ein angenagtes Stromkabel für sie sein kann? Das war der bittere Preis dafür, daß sie in meiner Obhut sicher war vor Katz' und Eule, Kälte und Schmutz. Aber sie kam, wenn sie, nicht ich, wollte. Und sie kam! Ihre Liebe und ihr großes Vertrauen zu uns - das war die Unterschrift unter meine These, die ich mich hier zu vertreten erkühne. Und ich glaube, in dieser kleinen Rattenfee habe ich eine berufungswürdige Autorität. Sie war scheu, vorsichtig, aber niemals ängstlich. Denn Angst ist die ständige Begleitung der Unfreien. Das sollte kein Tier sein. Nicht einmal ein Mensch.

1.Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2003