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Quitt
Hans-Jochen Röhrig liest aus Fontanes vergessenem Kriminalroman

Kotofeij K. Bajun
Während im Theaterpark die Vögel in den Frühling tremolierten, setzte das kleine Ensemble um Hans-Jochen Röhrig wieder einmal im Rahmen der Leselust einen kleinen, aber brillanten Farbtupfer in den in letzter Zeit so hart umkämpften Musentempel. Etwa 50 Zuhörer lauschten Fontanes beinahe in Vergessenheit geratenen Kriminalroman „Quitt“ aus der Feder Theodor Fontanes. „Fontane hatte den Stoff wieder einmal ge- statt erfunden“, so Hans-Jochen Röhrig in seiner Eröffnung. Während eines Sommeraufenthaltes im Riesengebirge kam ihm die Geschichte von einem sieben Jahre zuvor in der Nähe von einem Wilddieb erschossenen Förster zu Ohren. Das Geschehnis packte den Bibliographen des märkischen Adels und in seiner bekannt-blumigen Weise strickte er alsbald eine romantische Prosa rund um den bösartigen Förster Opitz und seinen Gegenspieler, den 27jährigen Wilddieb Lehnert Menz. Bei Menzen liegt der Verdacht nahe, der Mann hätte seinen Namen von der gleichnamigen Forst rund um Fontanes geliebten Stechlin erhalten, in welchem ebenfalls ein Baum von einer gleich gearteten Untat zeugt. Wie dem auch sei – Herr Röhrig, begleitet von der wunderbar talentierten Sabine Arnold und dem einfühlsamen Fagottisten Hanno Koloska gaben Auszügen des Werkes im Großen Foyer des Brandenburger Theaters Stimme und Gestalt. Herr Koloska setzte mit einem Novum Akzente für die nachfolgenden Stücke der Reihe: Nicht, wie Rita Herzog mit ihrem immobilen Klavier an den Ort gebunden, ließ er mal von hier und mal von dort aus den Tiefen des Großen Foyers sein Instrument erschallen, welches seine Abkunft vom lieblichen Dulzian, sowie von denen Ranketts und Bass-Pommern Note für Note herausstrich. Der Vortrag selbst ließ das Publikum gewohnt atemlos lauschen. Mit Engagement und Leidenschaft verliehen Frau Arnold und Herr Röhrig der ebenso reichen wie nunancierten Wortgewaltigkeit Fontanes Stimme und Gestik. Mit scheinbar geringem Aufwand zogen die beiden Rezitatoren ihre Hörer ins Geschehen, ließen die Landschaft im Reiche Rübezahls bildhaft im Raume entstehen, schlugen eine Brücke in längst vergangene Tage. Natürlich braucht es auch Einfühlungsvermögen seitens des Publikums, denn so, wie Fontane seinen Roman anlegte und vor allem, wie er ihn endigte, krähte im Hier und Jetzt kein Hahn mehr nach ihm. Es scheint, die gewohnte Fontane'sche Feinzeichnung der Charaktere, wie in „Unterm Birnbaum“, im „Schach von Wuthenow“ oder in „Effi Briest“ sei hier völlig auf der Strecke geblieben. Was Wunder, dass sich zunächst die „Gartenlaube“ der Schrift annahm, eine Gazette, die unser Herr Vater Tucholsky in den „Träumereien an preußischen Kaminen“ jenem Drachen zur Lektüre anheimgab, der nebenher auch H. St. Chamberlain las und seither etwas wirr im Kopfe war. Zwar vermochte der Drache sich nach erfolgter Erlösung der Prinzessin noch um die Stelle des Personalchefs im Preußischen Ministerium des Innern zu bewerben. Rathenau aber hätte sicherlich einen Konsumenten der „Gartenlaube“ an selbige zurück verwiesen. Nun denn, vielleicht liegt darin auch der Schlüssel der relativen Unbekanntheit dieses 1889 erschienen Werkes, welchem Herr Röhrig jedoch zur Freude seiner Hörer dankenswerter Weise für einen schönen Sonntagnachmittag wieder Leben zwischen die Zeilen hauchte.

 
B
8. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
11.04.2010