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Herrenhäuser in der Mark
ein Vortrag des Vorsitzenden des Historischen Vereins vor dem Arbeitskreis Stadtgeschichte


Der "historische Händedruck" zwischen dem Chef des Arbeitskreises Stadtgeschichte im Brandenburgischen Kulturbund e. V. Wolfgang Kusior und dem Chef des Historischen Vereins der Stadt Brandenburg an der Havel Udo Geiseler am 21. Januar 2009 im Havelzimmer des Fontaneklubs

Michael L. Hübner
Reichtum bedeutet in aller Regel, die Ersparnisse Vieler in den Händen Weniger. Wo könnte das deutlicher werden, als auf dem flachen märkischen Land. Verstohlene Büdnerkaten und ärmliche Behausungen von Kossäten drückten sich um gewaltige Herrenhäuser, mehrgeschossige und mehrflügelige Prachtbauten mit hohen Fenstern, Türmen und wuchtigen Mittelrisaliten. Tausende armer Landarbeiter und Habenichtse schufteten für ein paar reiche Tagediebe. So jedenfalls lautete die von der Arbeiter- und Bauernmacht kolportierte Geschichtsauffassung, die sicher in vielen Fällen nicht unbegründet war. Dass es auch ganz anders aussehen konnte, erläuterte Udo Geiseler am Mittwochabend vor den 37 Zuhörern, die sich auf Einladung des Arbeitskreises Stadtgeschichte im Fontaneklub eingefunden hatten, um einem Vortrag über märkische Herrenhäuser zu lauschen. Geiseler, selbst Vorsitzender des Historischen Vereins und Lehrer für Deutsch und Geschichte am Rathenower Friedrich-Ludwig-Jahn-Gymnasium, beschäftigt sich seit Jahren mit den Häusern, die einst Sitze des märkischen Adels waren. Sogar ein zwischenzeitlich vergriffenes Buch über dieses Thema wurde bereits von ihm als Mitherausgeber unters Volk gebracht. Er kennt sich aus. In seinem Diavortrag präsentieren sich wahre Kleinodien herrschaftlicher Baukunst, oftmals bis zur Unkenntlichkeit verkommen, manchmal gerettet, manchmal nur in winzigen Anbauten erhalten. Überhaupt, so meint Geiseler, sollte man das althergebrachte Bild vom geldstrotzenden Landjunker kritisch betrachten. Viele von diesen Adligen waren lediglich Erben kleiner und kleinster „Güter“, drittgeborene Träger eines großen Namens, die nicht selten in aufgekauften Bauernhäusern hockten und nicht viel besser lebten als die sie umgebende Landbevölkerung. Gerade mal der Degen hob sie noch aus der Masse heraus. Kam dann doch mal etwas Geld in die Kasse, versuchte man sich zu distinguieren – hier eine überdachte Laube, da ein verziertes Fenstersims und dort ein kleiner, steinerner Baldachin. Noch ein Wappen an die Tür – und fertig war des Edelmannes standesgemäße Behausung. Die kleinen wie die großen Herrenhäuser hielten bis in die letzten Kriegstage. Kampfhandlungen, Abriss wegen Materialgewinnung gemäß Befehl 209 der Sowjetischen Militäradministration zur Schaffung von Flüchtlingswohnungen, unsachgemäße Nutzung in der Nachkriegszeit und Plünderungen setzten der Bausubstanz oft hart zu. Doch, fährt Geiseler fort, ein Haus lebt solange, solange es beheizt wird und ein intaktes Dach besitzt. Insofern ist ein abfälliges Urteil über eine zweckentfremdete Nutzung als Schule, Wohnraum, Arztpraxis, LPG-Büro und ähnliches unangebracht. So konnten wenigstens einige der einst stolzen Häuser gerettet werden bis sie nach der Wende von Fall zu Fall eine zweite Chance erhielten. Manch Investor gab ihnen ihre einstige Würde zurück. Geiselers Vortrag aber hatte an diesem Abend noch eine weitere gewichtige Bedeutung. Wenige Brandenburger konnten bislang verstehen, warum eine Stadt mit regressiver Bevölkerungsentwicklung zweier historisch-geschichtlicher Vereine bedarf. Diese im Kontext mancher Nachwendeabsurdität entstandene Konstellation erfuhr durch den Gastvortrag des Chefs des Historischen Vereins beim Arbeitskreis einen wichtigen Impuls hin zu einer für beide Seiten förderlichen Normalisierung; zumal Doppelmitgliedschaften in beiden Vereinen keine Seltenheit sind. Wolfgang Kusior, langjähriger Chef des Arbeitskreises, wird im Gegenzuge im Verlauf des Jahres vor dem Historischen Verein referieren, was hoffentlich dazu beitragen wird, alte und von Vielen als unsinnig empfundene Gräben zu überwinden.

 
B
8. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
21.01.2009