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Gruß aus dem Elysium
historische Ansichtskarten aus Brandenburg/Havel

von Herrn Wolfhard Gerlach


K. K. Bajun
Kennen Sie Brandenburg an der Havel? Die Stadt im Land? Sie wohnen dort? Noch mal die Frage: Kennen Sie Brandenburg? Wirklich? Na, wo ist Grave’s Berg? Wissen Se nich? Und der Schwarze Adler? Das Kriegerdenkmal auf dem Marienberg? Das Elysium? Jetzt wird’s knirsch, was? Klar, wenn man Sie nach der Hauptstraße fragte, nach dem Al Dente oder dem C&A… Aber das gibt’s doch in jeder größeren Stadt. Das ist doch nicht Brandenburg pur, merry old Brandenburg, die unverwechselbare Heimatstadt.
Wem Havelwasser durch die Adern fließt, der muß das wissen. Dabei helfen könnte ihm ein kleines Büchlein, jüngst im Verlag Berlin-Brandenburg erschienen. Es zeigt historische Ansichtskarten aus Brandenburg – und jetzt merken Sie auf(!) – /Havel!
Brandenburg/ Havel, das ist eine der traditionellen Schreibweisen, die nunmehr durch das lange aber vereinheitlichte „Brandenburg an der Havel“ abgelöst wurden. Und als man es noch schreiben konnte wie man gerade lustig war, da wollte man sich – Telefax und eMail gab’s noch nicht – auch noch mehr sagen und schrieb sich – Ansichtskarten.
Der Brandenburger Druckereibesitzer Herr Friedländer zog um die vorletzte Jahrhundertwende durch seine Stadt Brandenburg, deren achtbarer Bürger er ein Menschenleben lang gewesen war und lichtete mit großem Geschick und Kennerblick repräsentative Ecken und Straßenzüge, Parks, Kasernen, Gasthäuser, Hotels, Fabriken und architektonische Kostbarkeiten ab, verfertigte mit noch größerem Geschick Postkarten aus seinen Photographien und schon konnte der Hermann seiner Marie, der Herr Müller dem Herrn Schulze, der Bruder der Schwester, das junge Fräulein der Herzensfreundin schreiben, was des Mitteilens für würdig befunden wurde und gleichzeitig per aufgedrucktem Motiv anschaulich machen, in welcher schönen Ecke Deutschlands man gerade saß.
Egal ob da steht: „…sitzen gerade beim sechsten Bier und zweiten Hähnchen…“, „…komme morgen mit dem Zuge, der von Brandenburg um 12:00 Uhr abfährt…“, oder ob nur ein paar Grüße übermittelt wurden – die abgelichteten Gastronomien wird’s gefreut haben, denn nicht wenige Adressaten werden beim Anblick der hübschen Karten gedacht haben: „Nobel, nobel! Also, wenn du mal nach Brandenburg kommst – da kehrst du auch ein!“
Irgendwann entdeckte der Herr Gerlach, jahrelanges aktives Mitglied im Brandenburger Arbeitskreis Stadtgeschichte, die Leidenschaft des Ansichtskartensammelns für sich. Dabei hatte er wohl ein besonderes Augenmerk auf Motive seiner Heimatstadt gelegt. Und wie’s das Leben so manchmal will – da trifft man sich, plaudert, kommt ins Gespräch, „…ich hätte da noch…“, „…wär’n Se interessiert?...“, „…na klar doch! Woll’n wa nich mal zusammen so’n kleenet Büchelchen…?“
Und siehe, mit Liebe zur Sache, Engagement und großem Fleiß wird dann auch was draus. Obwohl der Tod Herrn Gerlach daran verhinderte, „dat Büchelchen“ noch selbst in Händen zu halten, Frau Dr. Irene Diekmann vom Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrum, Frau Anke Richter, die Herrin über das Brandenburger Stadtarchiv und die Familie Herrn Gerlachs nahmen sich der Sache an und bereicherten den Buchmarkt mit einem kleinen Edelstein, der das Herz eines in die alte Dreistadt Verliebten höher schlagen läßt.
Dieses Büchlein gedenkt des alten, unzerstörten, des lebenslustigen Brandenburg, in dem noch kein Fernsehapparat, kein Computerspiel die Leute davon abhalten konnte, ihr Vergnügen in feinen Tanzlokalen oder lauschigen Kintopps zu suchen. Das Neustädtische Rathaus steht noch; in der Hauptstraße, oben auf dem Paradeplatz liegen noch nicht einmal die Gleise für die Pferdebahn und piekfeine Kavaliere schwenken ihre entzückenden Damen durch Oscar Lehmann’s Festsäle zum Münchener Hof (nota bene: Brandenburg a/H.). Jottchen – und wenn Se denn noch ’n bißken (alt-)deutsch lesen können, Se wissen doch, Omas Sütterlin, denn wird die Sache richtig spannend. Da wird dem lieben Otto unter dem Datum des 5. November 1910 mitgeteilt, das sein Paulineken am Sonntag nach Rixdorf fährt. Wohin bitte? Nach Berlin-Neukölln, Menschenskind. Hieß doch damals noch so. …in Rixdorf is Musike…Und lieben Gruß auch von Mutter und Lieschen…!
Otto, Pauline, Mutter und Lieschen deckt nun schon so lange der Sand. Ausgelöscht ihre Namen, vergessen ihre Biographien. Der kurze Augenblick aber, in dem Paulineken mit dem Bleistift eine hübsche Postkarte aus dem alten Brandenburg a. d. Havel schrieb, der bleibt. Der ist wie festgefroren in der Zeit, in der Ewigkeit.
Und daß wir an diesen fünf Minuten an Paulinchens Leben teilhaben dürfen, an ihren Gedanken an Otto… daß diese Karte nicht dem Anblick eines einzelnen leidenschaftlichen Sammlers mehr vorbehalten bleibt, dieses herzerwärmende Vergnügen hat uns det kleene Büchelchen beschert, 72 Seiten Freude – wir empfehlen es allen unseren Lesern, die darum wissen, wie sehr der Preußische Landbote seiner Heimatstadt Brandenburg an der Havel verfallen ist.
Danke, lieber Herausgeber, danke lieber J. Friedländer, Brandenburg a/H., Spezialität für Extra-Anfertigung von Postkarten mit Ansicht – danke für eine liebevolle Hommage an einer wunderbare Stadt.

 

"Gruss aus dem Elysium..."
Historische Ansichtskarten aus Brandenburg/Havel
Wolhard Gerlach
Verlag für Berlin-Brandenburg
1. Auflage 2007
ISBN 978-3-86650-210-9
€ 19,80

 
B
4. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2007